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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Wunderland
bald in die Kinos kommen sollte, hatte er die Kulisse der »verrückten Teeparty« aufgebaut. Eine lange Tafel war gedeckt mit antik wirkender Tischdecke und passenden Servietten, auf einigen Stühlen saßen gigantische Plüschtiere, und auf Etageren lagen skurrile Knabbereien bereit, wie zum Beispiel Baisers in Knochenform. An einem Tresen wurde blutroter Früchtepunsch in Reagenzgläsern ausgeschenkt. Der verrückte Hutmacher aus Burtons Film, dargestellt von Johnny Depp, spielte den Gastgeber und sprang, wie es seine Rolle verlangte, jedes Mal auf den Tisch, wenn er einen Gast begrüßte. Zusammen mit anderen schnatternden und kichernden Kindern bestaunten die Obama-Töchter das Spektakel, bis es weiterging zur nächsten Attraktion, einer Zaubervorstellung im East Room.
    Während die Party nach außen hin ein voller Erfolg gewesen war, hatte sie intern für große Bedenken gesorgt. Der Frage, wie eine derart spektakuläre, hollywoodtaugliche Party im Weißen Haus bei arbeitslosen Amerikanern (oder bei deren Vertretern im Kongress, die demnächst über die Gesundheitsreform abstimmen sollten) ankommen würde, machte die Mitarbeiter des Weißen Hauses so nervös, dass Details der Veranstaltung nicht an die Öffentlichkeit gelangten und die künstlerischen Beiträge Burtons oder Depps unerwähnt blieben. So gab es anstelle eines breit angelegten Medienspektakels nur die üblichen, knappen Berichte des Journalisten-Pools, in denen lediglich die Anwesenheit des Präsidenten erwähnt wurde. Rogers und die Mitarbeiter des Ostflügels hatten jede Menge Energie und Kreativität in die Vorbereitungen gesteckt, doch je mehr sie sich mühten, umso größer wurden die internen Vorbehalte. Diese Party, sagten Mitarbeiter später, habe das Schicksal von Rogers besiegelt – auch wenn sie das Weiße Haus erst im darauffolgenden März verlassen und vorher noch für ein desaströses Dinner verantwortlich zeichnen sollte.
    Die größte Enttäuschung an Halloween 2009 ereignete sich jedoch ein paar Kilometer entfernt vom Weißen Haus, wo Malia und Sasha am Nachmittag wie alle anderen Kinder auch von Haus zu Haus ziehen und Süßigkeiten erbetteln wollten. Dass ihre Eltern sie begleiteten, kam nicht in Frage, sie hätten viel zu viel Aufsehen erregt. Also fuhren Maya Soetero und Konrad Ng, die Nesbitts und die Whitakers mit ihren Kindern und Malia und Sasha in eine Wohngegend, die ihnen geeignet erschien. Die Erwachsenen hofften, dass die Obama-Mädchen zwischen all den kostümierten, lärmenden Kindern, die auf den Straßen unterwegs waren, nicht auffallen würden. Eine Weile klappte es tatsächlich. Aber irgendwann begannen Nachbarn, sich über ihre Handys zu verständigen, und schon bald kamen Neugierige mit ihren Kameras und rückten der Gruppe auf den Pelz. »Die Leute wollten sie sehen, anfassen und mit ihnen reden«, sagte Whitaker. »Es war wie im Zoo.« Das tapfere Häuflein gab schließlich auf und kehrte geschlagen und früher als geplant zurück zum Weißen Haus, wo die Obamas immer noch vor der Tür standen und Süßigkeiten verteilten an Kinder, die die Freiheit hatten, das zu tun, was ihren eigenen Töchtern verwehrt blieb: herumzuziehen und Naschereien einzufordern.
    Wie immer wahrte Michelle Obama während der Party die Fassade. Kaum jemand ahnte, dass sie längst im Begriff war, die Rolle der First Lady für sich ganz neu zu definieren.
    ***
    Bereits im Sommer fing sie damit an. Sie entließ Jackie Norris, die sie erst einige Monate vorher als Stabschefin eingestellt hatte, und holte ihre alte Freundin und ehemalige Chefin Susan Sher für den Posten. Sher war bis dahin als Juristin in der Rechtsabteilung des Weißen Hauses tätig gewesen. Unterschiedlicher konnten zwei Frauen nicht sein: die eine, Michelle, hochgewachsen, glamourös und ausgesprochen temperamentvoll, die andere, Susan, eher klein und etwas pummelig, bescheiden und bedächtig. Sie kannten sich schon lange und konnten sich hundertprozentig aufeinander verlassen. Sher war zwar nicht mit Washington vertraut, aber sie war eine gute Bekannte der Obamas und eine Vertraute Valerie Jarretts, und sowohl der Präsident als auch David Axelrod legten die Hand für sie ins Feuer. Sher trat ihre Stelle ohne viel Brimborium an, und so fiel es nur wenigen Außenstehenden auf, dass sie geholt worden war, um eine Kehrtwende einzuleiten: Sie sollte das Verhältnis zum Westflügel verbessern und eine sinnvolle Agenda für die First Lady auf den Weg bringen,

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