Die Obamas
Veranstaltungen des Präsidenten, und bei Wählerversammlungen mit Kongressabgeordneten wurden – wie jüngst in Maryland – Transparente hochgehalten mit Aufschriften wie: »Tod für Obama« oder »Tod für Michelle und ihre blöden Kinder«.
In der Öffentlichkeit gab sie sich gelassen und sagte, man dürfe diese Dinge nicht zu ernst nehmen, außerdem habe der Secret Service alles im Griff. Freunden gegenüber hatte sie jedoch geäußert, dass ihr die Drohungen Angst machten.
Als sie nun ihrerseits eine Mail an Jarrett schickte, aber keine Antwort erhielt, befürchtete sie das Schlimmste. Die Butler und Hausdiener waren wahrscheinlich nicht im Bilde, und Michelle wollte nicht für unnötige Aufregung sorgen. Eine Nachfrage beim Secret Service wiederum könnte Chaos heraufbeschwören. »Sie dachte, bloß keine Verwirrung stiften«, erinnerte sich Susan Sher. Gleichzeitig fragte Michelle Obama sich, ob es womöglich einen Grund dafür gab, warum niemand sie informierte.
Die First Lady versuchte, Susan Sher per E-Mail zu erreichen. Die Minuten zogen sich, und auch von ihr kam keine Antwort. Schließlich war Michelle mit ihrer Geduld am Ende. Sie rief in der Telefonzentrale des Weißen Hauses an und ließ sich mit ihrem Mann verbinden.
Er war sofort am Apparat und meldete sich mit: »Hallo, was gibt’s?«, so Jarrett. Es sei alles in Ordnung, sagte er, es habe lediglich einen kleinen Vorfall mit der Wagenkolonne gegeben – der Secret Service habe in einem der anderen Wagen ein geschossgroßes Loch entdeckt, die Angelegenheit dann aber als unbedeutend eingestuft; er selbst habe kaum etwas davon mitbekommen. Jarrett habe nicht antworten können, da sie mit ihm in einer Sitzung gewesen sei, und Sher habe außerhalb zu tun gehabt, so dass sie ihre E-Mails nicht habe abrufen können. Es sei alles in bester Ordnung.
Falscher Alarm also. Es hätte schlimmer kommen können. Nach dem 11 . September 2001 galt im Weißen Haus die höchste Alarmstufe, weil man weitere Terroranschläge befürchtete. Als die Bushs sich spät am Abend der Anschläge schlafen gelegt hatten, waren sie von Agenten des Secret Service buchstäblich aus den Betten gerissen worden – das Weiße Haus werde angegriffen. Noch Monate danach, schrieb Laura Bush in ihren Memoiren, habe sie, wenn sie gerade ein Glas Wein trank oder mit einer Freundin telefonierte, jeden Moment damit rechnen müssen, dass Alarm gegeben und sie in den Bunker unter dem Haus geschickt wurde. Da hatten die Obamas bis jetzt mehr Glück gehabt. Die Familie war noch kein einziges Mal evakuiert worden. Trotzdem fühlte sich Michelle an jenem Abend, als säße sie oben im Weißen Haus in einer anderen Art von Bunker – sie war ängstlich und allein.
Die Präsidentenpaare im Weißen Haus, so grundverschieden sie auch gewesen sein mochten, machten erstaunlicherweise alle in einer Hinsicht die gleiche Erfahrung: Sie fühlten sich längst nicht so mächtig, wie es nach außen hin den Anschein hatte. Während Barack Obama sich den ganzen Sommer über damit herumschlagen musste, wie begrenzt sein Einfluss als Präsident war, tat Michelle Obama sich schwer damit zu akzeptieren, wie begrenzt ihre Bewegungsfreiheit im Weißen Haus war. Nach außen gab sie sich als moderne und selbstbewusste First Lady. Aber wie sich an ihrer Panik angesichts von Jarretts wohlgemeinter Nachricht ablesen lässt, lebte sie in einem begrenzten, verwirrenden und rückständigen Universum, dessen Notausgänge sie noch nicht kannte.
Allein der simple Akt, das Haus zu verlassen, war für sie ein Problem. Offiziell war der Geheimdienst bestrebt, dafür zu sorgen, dass der Präsident und die First Lady tun und lassen konnten, was sie wollten, aber der Alltag sah ganz anders aus. Wenn irgendetwas auf dem Gelände des Weißen Hauses geplant war – eine Rede des Präsidenten auf dem Rasen, eine Landung der Marine One –, wurde eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, einschließlich der persönlichen Assistenten des Präsidenten und der First Lady, per E-Mail benachrichtigt. Wer aus dem Haus wollte, musste grundsätzlich erst bei einem dieser Leute nachfragen, ob die Luft rein war. »Sie kann nicht einmal mit dem Hund in den Garten gehen, ohne sich vorher zu erkundigen, ob es Bewegung im Reporter-Pool gibt oder gerade eine Zeremonie im Rosengarten stattfindet«, so ein Mitarbeiter. Michelles Töchter konnten nie spontan zum Swimmingpool oder auf den Tennisplatz laufen. Am schlimmsten war es in der warmen
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