Die Obamas
mehr Gewicht. Obama sah tagelangen Diskussionen darüber im Fernsehen bereits mit Bangen entgegen.
An jenem Wochenende, als der Artikel erschien, lud der Präsident Melody Barnes zum Golfspielen ein. Es war das erste Mal, dass er eine Frau zu seinem Vierer bat. Manche der Frauen im Westflügel fanden diese Geste höchst peinlich, denn der Bezug zu Leibovichs Artikel war unübersehbar.
Zehn Tage nach Erscheinen des Artikels gab Barack Obama im Weißen Haus ein Essen, das in der Geschichte der amerikanischen Präsidenten seinesgleichen suchte. Er war der einzige Mann am Tisch. Um ihn herum die Frauen, die im Westflügel die höchsten Positionen innehatten: Melody Barnes, verantwortlich für die Innenpolitik; Nancy-Ann DeParle, zuständig für die Gesundheitsreform; Carol Browner, Chefin der Energiekommission; Christina Romer, Vorsitzende des Wirtschaftsrats; Mona Sutphen, stellvertretende Chefin des Präsidentenstabs; Alyssa Mastromonaco, die den Terminkalender des Präsidenten verwaltete; Anita Dunn, Kommunikations- und PR -Chefin des Weißen Hauses, und Valerie Jarrett, die einzige Frau unter den engsten Mitarbeitern des Präsidenten.
Es war nicht das erste Mal, dass Valerie Jarrett ein Treffen mit Obama arrangiert hatte, um mit ihm ganz offen über Dinge zu sprechen, die ihr auf den Nägeln brannten. Im Gegensatz zu dem, was sie Leibovich gesagt hatte, war sie doch besorgt. »Anfangs hatten einige Frauen keinen direkten Draht zum Präsidenten«, sagte sie später. »Ich war der Ansicht, dass direkte Interaktion hilfreich sein könne.« Die First Lady nahm zwar nicht an dem Treffen teil, war aber unsichtbar anwesend: Seit Jahren drängte sie ihren Mann, unterschiedlichere Leute – auch was das Geschlecht betraf – in seinen Beraterstab aufzunehmen, und nun ließ sie durchblicken, dass der Artikel ihrer Meinung nach wichtige Fragen aufwarf.
Die Anwesenden konnten schwer einschätzen, ob Obama die Sache wirklich am Herzen lag. Gleich zu Beginn des Essens warf er demonstrativ einen Blick auf die Uhr und sagte einer Teilnehmerin zufolge, okay, wir haben soundso viel Zeit. Eine typische Geste: Immer nach Plan hakte der Präsident seine Termine ab und war selten zu Gesprächen bereit, deren Ende unabsehbar war. »Gibt es ernsthafte Belange, über die ich informiert sein sollte?«, fragte er anschließend mit einem Blick in die Runde.
Die gab es tatsächlich, auch wenn es andere gewesen sein dürften, als erwartet. Selbst die anwesenden Frauen waren nicht sicher, wie wichtig ein Treffen war, bei dem sich alles um die Gender-Frage drehte. Einige wie etwa Christina Romer fühlten sich tatsächlich vom männerdominierten inneren Machtzirkel ausgeschlossen, andere sahen die Sache gelassener. Sie waren lange genug im Washingtoner Politbetrieb, hatten einflussreiche Positionen inne, und es war ihnen egal, mit wem der Präsident zum Golfen ging. Die anwesenden Frauen meldeten sich nacheinander zu Wort, kamen aber nicht wirklich zur Sache. »Es war ein seltsam stilles Dinner, bei dem jeder ein Glas Wein und ein Stück Fisch bekam«, sagte eine Teilnehmerin.
Einig waren sie sich indes in einem Punkt: Die Gender-Debatte, die der
Times
-Artikel ausgelöst hatte, war ein willkommener Anlass, dem Präsidenten ein viel grundsätzlicheres Problem vor Augen zu führen. Es ging nicht darum, dass die Mitarbeiterinnen sich ausgeschlossen fühlten, weil sie Frauen waren, oder sich schlecht behandelt fühlten, sondern um die grundlegende Frage, wie das Weiße Haus gemanagt wurde.
Der
New York Times
-Artikel und das Dinner dienten nur als Vorwand, um dem Präsidenten vorsichtig klarzumachen, dass sie sich ernste Sorgen darum machten, dass die Männer dabei seien, alles zu vermasseln.
Die Situation war sicher nicht vergleichbar mit der unsäglichen Desorganisation und dem Schleuderkurs des Weißen Hauses in der frühen Clinton-Administration, als es schon eine Leistung war, wenn der Präsident irgendwo pünktlich erschien. Aber der Informationsfluss geriet im Westflügel zu leicht ins Stocken. Zu viel wurde selbst vor Insidern geheim gehalten, und die Teams koordinierten ihre Pläne und Entscheidungen selten miteinander. Rahm Emanuels Sitzung der Führungsriege, morgens um 7.30 Uhr, die ohne den Präsidenten stattfand, hatte zum Beispiel keine Tagesordnung – oft drehte sich alles nur um die aktuellen Zeitungsmeldungen. Auch leitende Mitarbeiter wie Melody Barnes wurden zu dieser Sitzung nicht zugelassen. Und die gefällten
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