Die Obamas
hatte – elegante Gastgeberin, dem Westflügel unterstellt –, und eine Richtung einschlagen, die ihr entsprach. Um jeder Kritik zuvorzukommen, sie wolle sich zu sehr in politische Entscheidungen einmischen (das Hillary-Clinton-Syndrom), bezeichneten Berater sie lediglich als »Kontaktperson« für eine Initiative der Regierung, die in Wirklichkeit die der First Lady war. Sie hatte weder die Mittel, noch konnte sie politische Entscheidungen treffen. Sie musste sich allein auf die Unterstützung ihres Mannes und seiner Leute und auf ihre Popularität und ihre Fähigkeit zu inspirieren und zu überzeugen verlassen.
Im weitesten Sinne verfolgten der Präsident mit seiner Gesundheitsreform und die First Lady mit ihren Bemühungen um die Gesundheit der Kinder ein gemeinsames Ziel: das allgemeine Wohlergehen der Amerikaner zu verbessern und das völlig überforderte Gesundheitswesen zu reformieren. Das Ende oder wenigstens eine Reduzierung der Kinderfettsucht würde bedeuten: weniger Diabetes, Herzgefäßkrankheiten und Bluthochdruck, weniger Arztbesuche und damit niedrigere Gesundheitskosten und gesündere Amerikaner, zwei der zustimmungsfähigsten, aber am schwersten per Gesetz durchzusetzenden Ziele der Gesundheitsreform.
Auch wenn Mitarbeiter immer wieder betonten, dass »Let’s Move« und die Bemühungen um die Gesundheitsreform nichts miteinander zu tun hätten, wurde durch diese beiden Projekte ein aufschlussreicher Gegensatz zwischen Obama und seiner Frau deutlich.
Barack Obama wollte die Verhältnisse durch Gesetze ändern, während Michelle noch nie darauf vertraut hatte, dass der Gesetzgeber oder die Regierung die Lebensumstände der Menschen verbessern könnte. Sie wandte sich direkt an Ärzte, Schulen, Lebensmittelhersteller, Supermarktketten, Eltern und Kinder und forderte sie auf, die allgemeinen Rahmenbedingungen und ihr Verhalten zu ändern. »Das ist ihr wichtig, unabhängig davon, was mit der Gesundheitsreform passiert«, sagte Sher einige Monate später. »Michelle Obama hält viel weniger von politischen Prozessen zum Erreichen von Zielen als ihr Mann. Deshalb ist er wohl auch Politiker und sie nicht.«
Nach außen achtete man strikt auf die Trennung zwischen den Initiativen des Präsidenten und denen der First Lady. Aber je ungewisser die Verabschiedung der Gesundheitsreform wurde, umso wichtiger erschien Michelle Obama ihre eigene Initiative; sie wetteiferte fast ein bisschen mit ihrem Mann, wer mit seiner Initiative Erfolg haben würde. Es ging um ihre Philosophie (auf wenige Aspekte fokussiert und nicht nur auf den Gesetzgeber vertrauend) und um seine (umfassend und dem Regierungsmandat unterstellt). Die beiden Programme waren im Grunde die Fortsetzung des Gesprächs, der alten Auseinandersetzung zwischen den Obamas, diesmal ging es jedoch um erheblich mehr, und alles spielte sich auf einer gigantischen neuen Bühne ab.
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Das war auch eine klare Botschaft von Michelle Obama an den Westflügel, die zeigte, was sie vom Umgang mit ihrer Person hielt. Sie stand vor dem klassischen Dilemma, mit dem die meisten Ehefrauen von Politikern irgendwann konfrontiert werden: Wann sollte sie Anfragen für öffentliche Auftritte annehmen und wann besser ablehnen? Ehefrauen von Politikern werden nicht selten als die besseren Hälften ihrer Männer angesehen. Niemand versteht ihre Männer besser oder repräsentiert sie glaubhafter. Einige First Ladies, unter anderem Betty Ford und Laura Bush, waren erheblich populärer als ihre Männer. Folglich waren die Stabsmitarbeiter ihrer Männer daran interessiert, sie zu instrumentalisieren – als Ersatz, wenn ihre Männer nicht an einer Veranstaltung teilnehmen konnten, als charmante Vermittlerinnen bei möglicherweise peinlichen Begegnungen, als Taufpatinnen, wenn Straßen einzuweihen waren, oder als Rednerinnen, wenn ihre Männer noch jemandem einen Gefallen schuldeten. Und weil die Mitarbeiter der Präsidenten naturgemäß fast immer unter Druck standen, improvisieren mussten und bereit waren, sich auf fast alles einzulassen, wurden die First Ladies manchmal einfach ohne Rücksprache eingespannt, so als hätten sie sowieso nichts zu sagen. Wenn sie sich weigerten mitzuspielen, hieß es, sie seien nicht bereit, wichtige Aufgaben zu übernehmen, und würden in Kauf nehmen, dass Unterstützer sich vor den Kopf gestoßen fühlten. Wenn sie jedoch immer ja sagten, verloren sie ihre Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit, wertvolle Trümpfe jeder
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