Die Obamas
al-Qaidas –, aber Hasan hatte im Vorfeld extremistische Ansichten geäußert und stand in E-Mail-Kontakt mit Anwar al-Awlaki, einem radikalislamischen jemenitischen Geistlichen. Der Alptraum, dass sich Terrorattacken auf dem Boden der Vereinigten Staaten wiederholen könnten, schien sich zu bewahrheiten. Die Tat sorgte im gesamten Westflügel für Aufruhr. Denn
oberste Priorität
des Präsidenten war und blieb die Sicherheit der Vereinigten Staaten.
Als die Gesundheitsreform vor der entscheidenden Abstimmung im Repräsentantenhaus stand, musste der Präsident auch seine Afghanistan-Strategie festlegen. Eine Herausforderung, die seine Berater mit der gleichzeitigen Landung zweier Flugzeuge auf derselben Landebahn verglichen. Im September, als Obama die Lage in Afghanistan einer Generalüberprüfung unterzog, war sein Team völlig uneins gewesen. [34] Wenn Obama nicht ein weiteres großes Truppenkontigent entsende, um die Taliban und al-Qaida zurückzuschlagen, drohe ein »Scheitern der Mission«, warnten hochrangige Militärs. Berater wie Biden und Emanuel hingegen warnten davor, dass die USA in Afghanistan in eine unangenehme Lage geraten könnten, gerade wenn sie ihre Truppen verstärkten. Sie müssten möglicherweise höhere Verluste hinnehmen, und die erhöhte Präsenz könnte auf Ablehnung bei der afghanischen Bevölkerung stoßen. Und selbst wenn die Vereinigten Staaten ihre Position hielten, würde das benachbarte Pakistan – eigentlich ein Verbündeter – in aller Stille seine Beziehungen zu den Taliban als Schutz gegen seinen Erzfeind Indien ausbauen.
Der Präsident studierte Akten und Landkarten und nahm sich Zeit für einen langen, gründlichen Entscheidungsprozess: Barack Obama saß Dutzenden von Sitzungen zum Themenkomplex Afghanistan vor und holte Informationen bei Militär- und Sicherheitsexperten ein. Immer wieder machte er sich Notizen auf seinem Schreibblock. [35]
Schließlich entschied er, die Kampftruppen vorübergehend um 30000 Soldaten aufzustocken; damit wollte Obama – wie General David Petraeus im Irak – in dem Krieg eine schnelle Wendung erzielen. Die Regierung wollte die Wirkung dieser Maßnahme genau im Auge behalten. Im Juli 2011 sollte der Truppenrückzug dann vermutlich beginnen, rechtzeitig vor den Wahlen 2012 . Bevor Obama diesen Entschluss bekanntgab, bat er jedes Mitglied seines großen Beraterstabs um Zustimmung; niemand verwehrte sie – ein Zeichen, dass er bei dieser schwierigen Entscheidung den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Gleichzeitig musste Obama feststellen, dass ein Riss durch sein Team von Wirtschaftsspezialisten ging. Die Lage war schwierig. Die Rezession war praktisch überstanden, ein echter Erfolg, doch im November lag die Arbeitslosenquote bei 10 , 2 Prozent. Es war die höchste seit sechsundzwanzig Jahren. Aufgrund der noch von George W. Bush veranlassten Steuersenkungen sowie der Rezession, des Konjunkturpakets und obendrein der Last der geerbten Kriege im Irak und in Afghanistan betrugen die Staatsschulden sage und schreibe 14 Billionen US -Dollar – es war die höchste Verschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg. [36]
Obamas Berater waren uneins, ob der Staatshaushalt aufgestockt werden sollte, um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen (wodurch das Defizit wachsen würde), oder ob man, um das Defizit zu reduzieren, auch die Ausgaben senken sollte – womit man eine steigende Arbeitslosigkeit riskierte.
Im Wahlkampf hatte Obama noch versprochen, die Steuersenkung für Besserverdienende mit einem jährlichen Einkommen von über 250000 US -Dollar zurückzunehmen. Tatsache war: Die Reichen in Amerika waren reicher als je zuvor und trugen dennoch zu einem immer geringeren Anteil zum nationalen Steueraufkommen bei. Die Rücknahme ihrer Steuervorteile würde das Defizit um einiges verringern. Aber die Regierung hatte Bedenken – die Republikaner würden sie mit Sicherheit als einen neuerlichen Schritt Obamas in Richtung Sozialismus ausschlachten. Obendrein argumentierten einige unabhängige Finanzexperten, dass ein Ende der Steuervergünstigungen für die Reichen der Wirtschaft schaden würde. »Du bist verrückt«, brüllte Rahm Emanuel einen der erfahrensten externen Wirtschaftsberater an. Dieser hatte wenige Wochen vor den Wahlen zum Repräsentantenhaus dafür plädiert, endlich ein Gesetz zur Zurücknahme besagter Steuervergünstigungen zu verabschieden. »Willst du damit sagen, dass wir
vor der Wahl
eine Steuererhöhung
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