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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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gewesen, dass Boyd gedroht hatte, gegen das Energiegesetz zu stimmen, aber selbst das hatte man ihr verschwiegen aus Angst davor, wie sie auf die Erpressung reagieren würde.
    Aus dem Westflügel kamen indessen weitere Anfragen, ob die First Lady zugunsten von Kongressmitgliedern an Veranstaltungen teilnehmen könne. Sie war die beliebteste Figur im Weißen Haus, zumal inzwischen die Sympathiewerte ihres Mannes deutlich gesunken waren. Als Mutter der Nation wirkte sie angenehm unpolitisch, als stünde sie über den Dingen. Aber ihre unmissverständliche Antwort an den Westflügel lautete: Sie sei nicht mehr bereit, für andere einzuspringen, auch nicht bei rechtzeitiger Unterrichtung. Sie stehe ab sofort nicht mehr dafür zur Verfügung, an irgendwelchen x-beliebigen Veranstaltungen teilzunehmen. Die unausgesprochene Warnung war deutlich: Sie weigerte sich nicht direkt, an der Kampagne für die Zwischenwahlen im kommenden Herbst teilzunehmen, aber sie würde nicht länger nach Belieben über sich verfügen lassen. Wenn der Westflügel sie für den Wahlkampf haben wollte, würde man sie offiziell einladen und sich überlegen müssen, wie sie in die Gesamtstrategie einbezogen werden konnte – anstatt sie willkürlich zu verplanen.
    Michelle Obama war der Ansicht, sie habe sich 2008 während des Wahlkampfs aufgerieben, als sie ohne nennenswerte Unterstützung oder Einweisung vor Publikum hatte sprechen müssen. Das würde ihr nicht noch einmal passieren. Sie wollte sich nicht länger für die Pläne von Kongressmitgliedern einspannen lassen, die sie kaum kannte und deren Haltung sie möglicherweise nicht teilte.
    In ihrer Ansage schwang noch ein weiterer Kritikpunkt mit: Sie war der Meinung, der Westflügel agiere oftmals chaotisch und plane nicht gut genug. Das hatte sie schon während des Wahlkampfs bemängelt, und nun, im Weißen Haus, wiederholte sie ihre Kritik mit mehr Nachdruck als je zuvor.
    Ihre Haltung erzürnte Emanuel. Schließlich sei Michelle Obama ein wichtiger Trumpf, erklärte er Mitarbeitern des Westflügels. Die demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus und im Senat bräuchten dringend ihre Unterstützung, um die Gunst der Wähler zu gewinnen, und auch das Weiße Haus müsse in den Augen der Wähler gut dastehen. Er drängte sie nicht direkt, aber er bat den Präsidenten, seine Frau umzustimmen – ihr die Lage verständlich zu machen und die Dringlichkeit zu erklären. Dem Präsidenten widerstrebte es jedoch zutiefst, seine Frau um politische Gefälligkeiten zu bitten. Die Situation war in der Tat beunruhigend: Würde das Weiße Haus ohne die Unterstützung der First Lady zu den Halbzeitwahlen antreten müssen?
    David Axelrod schlug vor, ihr ein bisschen mehr Zeit zu lassen. Bis zu den Zwischenwahlen sei es schließlich noch ein Jahr hin.

Kapitel 7: Sechsundzwanzig Stunden im Wunderland
    Oktober – Dezember 2009
    A n einem Abend im Spätherbst saß Mark Leibovich, ein Reporter der
New York Times,
noch an seinem Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Am Apparat war Valerie Jarrett, die aus der Air Force One anrief. Leibovich beschäftigte sich gerade mit einem Artikel zu der Frage, ob die Regierung Obama ein reiner »Männerverein« sei. An der Spitze zahlreicher Expertenteams stünden Männer, und über allem rangiere ein Präsident, der in seiner knapp bemessenen Freizeit gerne Sendungen des Sportkanals ESPN sah und am Wochenende mit seinen Freunden zum Basketball oder Golfspielen ging. Jarrett wollte mit ihrem Anruf klarstellen, dass Leibovich das Thema überbewerte und dass die ganze Sache von der »typischen Washingtoner Sichtweise« geprägt sei, die mit der Realität im Weißen Haus nichts zu tun habe. Anschließend führte sie all jene Frauen auf – angefangen bei Hillary Clinton –, die Obama in Führungspositionen berufen hatte. Jarretts Tonfall war gelassen, aber bestimmt.
    Was Leibovich nicht wusste: Hinter den Kulissen führte kein anderer als der Präsident Regie, der seinen Mitarbeitern persönlich vorgab, was sie Leibovich zu sagen hatten. Denn der noch unveröffentlichte Artikel führte im Westflügel zu höchster Anspannung; diese Präsidentschaft sollte ganz anders sein, Schranken überwinden und mehr sein als der übliche Club weißer Männer. Dass Obama in den demokratischen Vorwahlen 2008 die potenzielle erste Präsidentin aus dem Feld geschlagen hatte, ganz zu schweigen von seinem starken Rückhalt in der weiblichen Wählerschaft, verlieh der Kritik nur noch

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