Die Obamas
durchsetzen sollen?«
In einer Serie von Sitzungen debattierten die Wirtschaftsberater über die immer gleichen Fragen, ohne entscheidende Fortschritte zu erzielen. Was war nun wichtiger: Arbeitsplätze oder Defizit? Alle waren sich über die Sinnlosigkeit einig, das eine gegen das andere auszuspielen. Die Lage am Arbeitsmarkt musste sofort verbessert werden, das Defizit würde man nach einer Erholung der Konjunktur in Angriff nehmen – aber unklar blieb, was in der Zwischenzeit geschehen sollte. Dem Präsidenten machte nicht nur die Unentschiedenheit seiner Experten schwer zu schaffen. Der Druck, in dieser dramatischen Lage auf dem Arbeitsmarkt schnell handeln zu müssen, wurde für ihn zu einer unerträglichen Belastung. Kritiker, die ihm mangelndes Mitgefühl angesichts des wirtschaftlichen Elends vorwarfen, hatten unrecht, meinten zahlreiche Berater: Ihm war die prekäre Lage vieler Amerikaner durchaus bewusst. Täglich erreichten ihn Tausende Briefe notleidender Familien: von Eltern, die ihren Kindern keine Schulhefte kaufen konnten, von Bürgern, die erfolglos Hunderte von Bewerbungen verschickt hatten. Nun musste er sich obendrein eingestehen, dass seine ökonomische Strategie weder intern noch extern klar war. Schlimmer noch – inzwischen zerfleischte sich das Team über banale Fragen wie die, wer an welcher Besprechung teilnehmen durfte.
Im Spätherbst gingen Obama bei einer Sitzung im Roosevelt Room die Nerven durch. Wieder wurden die möglichen Alternativen diskutiert: Sollte man die Wirtschaft stimulieren oder Ausgaben einfrieren? Die Berater hatten sich zu einer, wenn auch brüchigen Übereinkunft durchgerungen, doch als der Präsident dazu gezielt Fragen stellte, war selbst der Minimalkonsens nicht zu halten. Einmal mehr kreiste ein Meeting um die gleichen Themen, um die immer gleichen Argumente, da verwundert es nicht, dass Obama die Geduld verlor. »Genau die gleiche Diskussion mit genau den gleichen Leuten, die genau das Gleiche sagen! Das haben wir jetzt zum sechsten Mal. Verdammt!
Zum sechsten Mal.
« Obama erhob sich und verließ den Raum, obwohl für den Termin noch weitere fünfundzwanzig Minuten anberaumt waren. So habe ihn noch niemand erlebt, hieß es danach. Axelrod, Rouse und Gibbs erhoben sich solidarisch und gingen ebenfalls. Nur die Wirtschaftsexperten blieben.
Für Barack Obama zählten Konsens und Kooperationsbereitschaft, die Überzeugung, dass vernünftige, wohlmeinende, intelligente Menschen sich zusammensetzen und die Probleme des Landes lösen könnten. Das war mit den Republikanern nicht gelungen, und jetzt schaffte er es nicht einmal mehr in seinem eigenen Team. In der Theorie glaubten alle Berater an kurzfristige Anreize und langfristige Defizitsenkung, doch wie in einer schlechten Ehe hatte sich das Team in zwei Lager gespalten – die Gemeinsamkeit war verschwunden, wie es einer der Beteiligten später einmal ausdrückte. Der Präsident hatte seinem Team wiederholt befohlen, zu einem Konsens zu kommen, doch es gelang nicht, und er selbst schien nicht bereit, sich auf die eine oder die andere Seite zu schlagen. Wie ein anderer Berater darlegte, war Obamas Ausbruch kein Zeichen von Ungeduld: Es war ein Zeichen seiner Geduld, denn viele hätten die Diskussion schon nach zwei Runden abgebrochen, statt erst nach einem halben Dutzend. Die Unfähigkeit des Wirtschaftsteams, seine internen Differenzen beizulegen, und Obamas Unfähigkeit, klare Handlungsanweisungen zu geben, schadeten seiner Präsidentschaft. Die Administration wurde noch auf viele Monate hinaus durch die Debatte Anreiz versus Ausgabenkürzungen in der einen oder der anderen Form lahmgelegt.
Im Sitzungsraum brach ein Höllenspektakel los. Romer wurde laut, Orszag ergriff die Flucht. »Keine Ahnung, was das gerade sollte«, ereiferte sich Geithner. Austan Goolsbee, ein alter Vertrauter und Wirtschaftsberater Obamas aus Chicagoer Zeiten, saß da und stützte seinen Kopf in die Hände. Rob Nabors, der stellvertretende Chef der Etatabteilung des Weißen Hauses, gestikulierte wild in Richtung offene Tür. Das Oval Office lag direkt gegenüber: Ob der Präsident das Geschrei hören konnte?
***
In den ersten Jahren seiner politischen Karriere hatte Barack Obama sich häufig Gedanken gemacht, ob die Wähler außerhalb seines Wohnviertels seine politische Botschaft verstehen würden: War er zu intellektuell, sein Name zu fremd und seine Herkunft zu ungewöhnlich? Er fürchtete auch, zu sehr von Harvard geprägt zu
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