Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
Vom Netzwerk:
sein, um auf der Chicagoer South Side zu gewinnen. Diese Zweifel hatten sich zwischen 2004 und 2008 in nichts aufgelöst – und zwar in einer Weise, die er nie für möglich gehalten hätte. Seine Wähler lasen
Ein amerikanischer Traum: Die Geschichte meiner Familie
und fanden ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen dort widergespiegelt. Ortsgruppen von »Obama für Amerika« schossen ohne viel Zutun der Parteizentrale wie Pilze aus dem Boden; Wahlveranstaltungen mobilisierten 75000 Teilnehmer. Sicher hatte Obama in jener Zeit Gegner und Kritiker, und einige brachten üble Gerüchte in Umlauf. Aber er erlebte, was nur wenige auf der Welt je erleben: ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit Abermillionen Menschen, die an ihn glaubten.
    Jetzt, während seiner Amtszeit, sank er nach und nach wieder zurück in das Gefühl, missverstanden zu werden. Im weiteren Verlauf seiner ersten Amtszeit hatte es manchmal den Anschein, dass die amerikanische Öffentlichkeit Barack Obama für einen hoffnungslosen Fall hielt. Doch die Beziehung war wechselseitig, und oft hatte es den Anschein, dass auch der Präsident seinerseits die Öffentlichkeit für einen hoffnungslosen Fall hielt, weil er überzeugt war, dass die Amerikaner seinen Standpunkt nie verstehen würden.
    Die unaufhörlichen Angriffe forderten ihren Tribut, aber ebenso offenbarten sie seine Unfähigkeit, die eigene Politik unmissverständlich und engagiert zu erklären. Im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket war im Februar 2009 zwar eine Steuersenkung für die mittleren Einkommen im Kongress verabschiedet worden, aber die Regierung hatte zu wenig für das Gesetz geworben. Und so konnten die Republikaner Obama immer wieder unterstellen, dass er Steuererhöhungen plane. In einer Sitzung im Spätherbst beschäftigten sich der Präsident und sein Wirtschaftsteam mit dem Ergebnis einer Meinungsumfrage. Inwieweit hatte die Bevölkerung die Steuersenkung verstanden? Etwa vierzig Prozent der Befragten behaupteten, das Gesetz habe keinerlei Einfluss auf die Steuern, erinnerte sich Goolsbee später. Fünfzig Prozent erklärten, die Steuern seien
erhöht
worden. Weniger als zehn Prozent aller Befragten wussten tatsächlich über die Steuersenkung Bescheid. Die Wirtschaftsberater waren entsetzt; die Medien- und Presseleute müssten das dringend korrigieren. Der Präsident breitete die Arme aus und tat alles fatalistisch mit einem Achselzucken ab – eine Geste hilfloser Kapitulation. Kaum jemand hatte die Steuersenkung verstanden. Er wiederholte diese Tatsache langsam, als versuche er den Wirtschaftsberatern plausibel zu machen, was sie längst wussten. »Ja« hieß »nein«, hinauf bedeutete hinunter, und es schien aussichtslos, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Obama war noch nicht einmal ein Jahr im Amt und war bereits auf dem besten Wege, den Glauben daran zu verlieren, dass man seine Arbeit verstand.
    Der Präsident mochte elitär sein, aber er war es auf ungewöhnliche Weise. Er zeigte deutlich seine Aversion gegenüber Mächtigen – Kongressmitgliedern, Bankern – und hatte eine natürliche Affinität zu Außenseitern, zu all den Verletzlichen, Vernachlässigten und Vergessenen. Das Weiße Haus verstärkte eine seiner besten Eigenschaften, nämlich seine Ernsthaftigkeit, aber auch seine schlechteste: die Überzeugung, dass er ernsthafter sei als der Rest der Welt. Natürlich existierte ein himmelweiter Unterschied zwischen der Art, wie Obama sich seine Informationen beschaffte, und dem Nachrichtenkonsum der übrigen Bürger im Lande, über den er immer wieder spottete.
    Er ließ seinen Frust an den Medien aus, die er meist mit einer an Verachtung grenzenden Herablassung betrachtete. Obama sah sich als Schriftsteller – in seinen Zwanzigern hatte er sich so gegenüber anderen bezeichnet, und um das Präsidentenamt hatte er sich erst beworben, als
Ein amerikanischer Traum: Die Geschichte meiner Familie
keinen sonderlichen Erfolg hatte; oft hatte es den Anschein, dass er nicht nur sein eigener Redenschreiber, politischer Direktor, Stabschef und so weiter sein wollte, sondern auch sein eigener Korrespondent im Weißen Haus.
    In einem Interview mit Jonathan Alter erzählte er angeregt von seinem Staatsbesuch in Korea im vergangenen Herbst. Präsident Lee Myoung Bak hatte ihm erklärt, dass koreanische Eltern sehr an den schulischen Leistungen ihrer Kinder gelegen sei; sie hätten deshalb von der Regierung gefordert, Lehrer aus England ins Land kommen zu lassen.

Weitere Kostenlose Bücher