Die Obamas
»Und dann rede ich mit der US -Presse, und die wichtigste Frage, die sie für mich in Asien auf Lager haben, ist, ob ich Sarah Palins Buch gelesen hätte?« Ein Seitenhieb sowohl auf Palin als auch auf die Medien.
Der Präsident war fasziniert von Nachrichtensendungen – er sah gerne, »womit sich die Schwachköpfe so beschäftigen«, wie es ein Mitarbeiter formulierte. Persönlich las er mit Hingabe anspruchsvollere Zeitschriften wie den
Economist
und den
New Yorker.
Obama erwartete von den Medien, dass sie sich wie eine Art Schiedsrichter verhielten. Dass sie unfaire Angriffe der Republikaner auch als solche entlarvten. Ihm persönlich machten selbst die übelsten Angriffe, die jeder Grundlage entbehrten, nichts aus, erwähnte er während eines Lunchs mit Jarrett, Marty Nesbitt und John Rogers im kleinen Speisezimmer neben dem Oval Office. Was ihn jedoch wirklich zur Weißglut bringe, sei, wenn solche unhaltbaren Anschuldigungen Allgemeingut wurden.
John Rogers erwähnte in diesem Zusammenhang ein neues Buch der konservativen Kolumnistin Michelle Malkin mit dem Titel
Culture of Corruption: Obama and His Team of Tax Cheats, Crooks and Cronies.
Unter anderem behauptete Malkin in diesem Buch mit seinem sprechenden Titel (Die Kultur der Korrupten: Obama und sein Team von Steuerbetrügern, Gaunern und Spießgesellen), dass in Wirklichkeit Michelle Obama – die »bittere Hälfte« des Präsidenten – das Land à la Lady Macbeth regieren würde. Die Autorin machte bei ihren Verleumdungen nicht einmal vor dem längst verstorbenen Vater von Michelle Obama, Fraser Robinson, halt – dem schlechtbezahlten, von seiner Krankheit geplagten Arbeiter bei den Chicagoer Wasserwerken. Sie stempelte ihn ohne auch nur einen einzigen stichhaltigen Beweis als Mitglied einer »politisch korrupten Chicagoer Clique« ab. Das Buch sprang gleich nach Erscheinen auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste der
New York Times
und hielt diese Position über Wochen.
Irgendwann in diesem Herbst blätterte Emanuel eine Reihe von Meinungsumfragen zu dem Thema durch, ob die Wähler meinten, dass sich das Land in die richtige oder in die falsche Richtung entwickle. Er hatte schon seit Monaten ein mulmiges Gefühl gehabt, doch diesmal »sträubten sich ihm die Nackenhaare«, als er die Resultate sah, erinnerte sich der politische Direktor Patrick Gaspard. Emanuel kannte den Kongress besser als jeder andere im Weißen Haus und besaß in Bezug auf Wahlen geradezu hellseherische Fähigkeiten. Monate vor den anderen im Westflügel sah er, was kommen würde: Falls die Regierung nicht schleunigst ihren Kurs änderte, würden die im folgenden Jahr anstehenden Zwischenwahlen in einer Katastrophe enden.
***
Mitten in der heißen Phase der Gesundheitsreform flog der Präsident am 9 . Dezember nach Oslo, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen; erst wenige Wochen zuvor hatte das Komitee seine Entscheidung bekanntgegeben. Er hockte mit seinen Beratern am Konferenztisch der Air Force One und feilte während des Nachtflugs an seiner Rede. Sie war eine der wichtigsten, seit er im Amt war, und doch überlagerten die hektischen Ereignisse in Washington alles. Es blieb Obama und seinen Beratern nichts übrig, als die Rede mehr schlecht als recht zusammenzuschreiben. Man arbeitete hastig, und niemand wusste, wie die Öffentlichkeit auf die Rede reagieren würde.
Das Nobelkomitee hatte Obama die Auszeichnung zugesprochen, weil er mit seiner Wahl zum ersten farbigen Präsidenten die Rassenschranken überwunden und, vermutlich auch, weil er die Ära Bush beendet hatte. Aber der Zeitpunkt war eigentlich unpassend. Die Ehrung für seine Verdienste um den Weltfrieden wurde ihm zuteil, gerade als er im Begriff war, weitere Zehntausende Soldaten nach Afghanistan zu entsenden. Er hatte in Afghanistan und Pakistan Drohnenangriffe angeordnet, bei denen nicht nur verdächtige Terroristen, sondern auch Zivilisten getötet worden waren. Unbefristete Haft für Terrorverdächtige stand immer noch auf der Agenda. Und obwohl er nun, wie vor ihm Nelson Mandela und Elie Wiesel, in einen illustren Kreis aufgenommen wurde, konnte er zu Hause nicht einmal die Verabschiedung der Gesetze durchsetzen, die ihm wirklich am Herzen lagen. Die Ehrung schien die Meinung zu verstärken, gegen die Obama mit aller Macht ankämpfte: dass die größte Leistung seiner Präsidentschaft seine Wahl gewesen sei. So erwiderte der Präsident dann auch auf die Glückwünsche seiner Angestellten:
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