Die Obelisken von Hegira
erwischt!“
„Bildet einen Kreis, bis die nächste Feuertaube aufsteigt. Rasch!“
„Hispan ist verschwunden. Was ist das?“
„Wo?“
Kiril entschied, daß es das Beste sein würde, sich davonzumachen. Aber in welche Richtung? Abseits der Straße mochte er in das hineinlaufen, was Barthel verschlungen hatte. Er hatte überhaupt kein Gefühl für Entfernungen. Aber wahrscheinlich war es immer noch besser, sein Pferd hinauszuführen, als auf das nächste Licht zu warten. Er zog an den Zügeln und trieb das Tier an, ihm zu folgen. „Keinen Laut!“ sagten seine Lippen.
Seine Füße ertasteten sich ihren Weg in der Dunkelheit mit winzigen Knirschlauten. Sein Rücken prickelte – jeden Augenblick rechnete er mit einem Licht und einer Kugel. Aber sie redeten immer noch aufeinander ein, ungefähr zwanzig Meter hinter ihm. Nach Norden zu begann ein schwaches Leuchten – eine weitere Feuertaube stieg auf, eine helle diesmal.
„Leise – und kommt hier herüber!“ hörte er Barthel sagen. „Zu Eurer Linken.“
Sie warteten hinter einem jäh aufragenden Granitblock auf ihn. Bar-Wotens Gesicht war grün verschmiert, und er grinste wie der Sinnende Lotos, ohne seine Zähne zu zeigen. Sie waren in der Dunkelheit kaum sichtbar, wie sie da neben einem Streifen phosphoreszierender Pilzgewächse standen.
„Ich habe den Weg hinaus gefunden“, sagte Bar-Woten. „Genau nach Norden. Keine Truppen, die den Wald umstellt hätten, niemand, der uns den Weg versperren könnte.“
Kiril sagte, daß er sich ob der Unfähigkeit der Soldaten von Mediwewa schäme. Bar-Woten lachte sanft und führte ihn an der Schulter zu einem schmalen natürlichen Pfad.
„Wohin verschwand Barthel? Ich sah, wie er wegsackte“, sagte Kiril.
„In einen Graben“, sagte Barthel. „’s wirbelte mich herum, warf das Pferd auf den Rücken und verstreute die Vorräte. Aber ich sammelte sie ein, zog das Pferd auf seine Flanke und hielt es ruhig, bis ich hören konnte, was vorging. Der Bei kam, um mir mitzuteilen, daß alles frei sei, aber ich müsse leise sein.“
„Ein Befehl, der immer noch gilt“, sagte Bar-Woten.
Nach ein paar Minuten ließen sie den Wald hinter sich und ritten über Felder mit wildem Hafer. Der Morgen sah sie in scharfem Tempo nach Norden reiten, den Grenzen von Mundus Lucifa entgegen.
4
Die Landschaft Mediwewas veränderte langsam ihren Charakter. Tiefländer und Prärien machten hohen, felsig schroffen Gipfeln und grünen Flußläufen Platz. Wälder gab es weniger, und sie wurden zusehends kümmerlicher; Grün verwandelte sich in welke Herbstfarben, dann in Braun. Die Luft wurde kühl. Und immer noch verfolgte man sie.
Die Suchtrupps, die ihren Spuren folgten, hatten die Dampfwagen längst aufgegeben. Jetzt war es eine Hetzjagd zu Pferde und zu Fuß. Bar-Woten fürchtete, daß sie nicht einmal an der Grenze nach Mundus Lucifa enden würde – Ibisier, von Gerüchten dazu gemachte oder andere, waren in keinem der umliegenden Länder beliebt. So befreite er sich von allen Zeichen der vergangenen zwanzig Jahre seines Lebens und legte sich nach und nach die Staffage eines Gebirgsreisenden zu – Kleider aus den Häuten des Wildes, welches sie schossen, grobe Borkenstoffe, zusammengenäht mit den Fasern der speerspitzigen Hauswurz, ausgewählte Felle über seiner Schulter. Barthel verzichtete auf seine ibisischen Gewänder und ging beinahe nackt wie einer der Ureinwohner von Pashkesh – eine Rolle, die er überzeugend genug zu verkörpern wußte, indem er einfach seine Gossensprache auf die Ebene von Grunzern und Schleiflauten verkommen ließ. Kiril blieb ein Büßer und ersetzte seine Katze durch die Überreste einer Tierhaut, die Bar-Woten beiseite geworfen hatte.
Das Trio bewegte sich rasch und zügig vorwärts, aber nie so schnell, daß die Pferde überanstrengt worden wären. Sie waren in einem weithin unbevölkerten Landstrich. Gute Pferde zu ersetzen würde schwierig sein.
Weil sie des öfteren Abkürzungen durch Flüsse und über Felder von abgeschliffenen Felsen und Sand nahmen, warfen sie ihre Verfolger oft gleich um mehrere Stunden zurück und kamen geschwinder voran. Die Grenzen von Mundus Lucifa rückten näher – hundert Kilometer, fünfzig, zehn. Dann kreuzten sie sie – einen niedrigen Stacheldrahtstrang, verstärkt mit Holz- und Steinmarkierungen.
Als sie sich gerade entschlossen hatten, anzuhalten und für die Nacht Unterschlupf zu suchen, lahmte plötzlich Barthels Pferd. Er
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