Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
platschten durch einen toten Kanal, und bald waren die Flanken von Rössern und Reitern gleichermaßen mit Schlamm überkrustet. Kiril hüpfte und stöhnte ob der größer werdenden Blasen. „Reitet locker, reitet mit dem Pferd“, rief Bar-Woten ihm zu, aber er ließ davon ab, seine Füße unter den Bauch des Pferdes zu verschlingen und hatte darob bald Borten längs der Waden, Oberschenkel und Hinterbacken.
    Er seufzte laut auf, als sie an einem verfallenen Bauernhaus anhielten, um einen Brunnen zu prüfen. „Mein Gott, Abenteuer!“ krächzte Kiril. „Noch eine Stunde davon, und es mag sein, daß ich um meinen Tod flehe.“ Die Welt verschwamm ihm vor den Augen, und er hätte sich am liebsten übergeben.
    „Ihr werdet Euch daran gewöhnen“, meinte Barthel.
    „Vor grad drei Tagen habt Ihr Euch noch selbst gepeitscht“, erinnerte Bar-Woten ihn. „Welche Art von Kasteiung ist Euch lieber?“
    Der Brunnen war voll, aber das Wasser war brackig. Trotzdem ließ es sich trinken, und sie tränkten ihre Pferde, wobei sie sorgfältig darauf achteten, daß sich ihre Bäuche nicht blähten. Bar-Woten untersuchte sein Pferd. Es war ein Apfelschimmel, sehr verschieden von allen, die er in seiner Armee je geritten hatte. Er überzeugte sich, daß die Hufeisen noch fest saßen. Die Hufschmiedearbeit war grob und solide, und es hatten sich keine Steine in die Hufe gearbeitet. Er tat das gleiche für die anderen Rösser und erklärte sie marschbereit. „Fertig?“ fragte er.
    Diesmal ritten sie in gemäßigtem Tempo. Der Geruch feuchten Leders und warmer Pferde stieg auf, was Bar-Woten aufmunterte und Barthel sich daheim fühlen ließ; Kiril hingegen rümpfte bloß die Nase. Um die Nachmittagszeit war der Mediwewaner erschöpft, aber nur ein wenig benommen. Sein Rücken war immer noch schwach entzündet. Sie fanden ein Eichenwäldchen und machten es sich für eine längere Rast gemütlich.
    Auf der anderen Talseite, nicht mehr als drei oder vier Kilometer entfernt, ruhte ein Dorf im Zwielicht des späten Nachmittags. Die weißen Mauern und die roten Ziegelstraßen traten im dämmriger werdenden goldenen Licht deutlich hervor, wie ein frischgeschlachteter Ochse. Bar-Woten betrachtete das Bild mit zusammengekniffenen Augen. Barthel schlummerte, und Kiril lag auf dem Bauch in Gras und Lehm, unruhig atmend.
    Eine Stunde später zwang er sich dazu, wach zu werden, und reckte sich schmerzerfüllt, denn die Peitschenstriemen über seinen Schultern spannten. „Ich wünschte, ich wäre nicht so gründlich gewesen“, sagte er. Bar-Woten rauchte neben dem kleinen Feuer. Die Dunkelheit war vollkommen. Das Gesicht des Ibisiers glühte im Flammenschein, und der Abglanz der Pfeifenkohlen war wie eine rote Perle auf seiner Nase. „Ich wünschte, ich wüßte, was ich eigentlich hier mache“, sagte Kiril, „mit einem Wilden wie Euch und einem Heiden.“
    „Ihr habt ein Leben aufgegeben“, sinnierte Bar-Woten. „Da ist’s nicht so schwer, ein weiteres aufzugeben, ganz besonders eins ohne gerechten Lohn.“
    „Ich bin eine Memme, denke ich“, sagte Kiril. „Ich habe nicht die Überzeugung gehabt, bei irgendeiner Art von Leben zu bleiben.“
    Bar-Woten bedachte ihn mit einem nichtssagenden Nicken und klopfte seine Pfeife aus. Nachdem er die Asche mit dem Absatz in den Boden gedreht hatte, deutete er mit dem Stiel gegen die Ortschaft. „Wir werden uns dort mit Vorräten eindecken müssen. Wir haben einen langen Weg vor uns – mehrere hundert Kilometer vielleicht, bevor wir Mediwewa verlassen.“
    „Weniger als das“, sagte Kiril. „Was geschah in Mediwewa? Habt Ihr eine Vorstellung davon?“
    „Möglicherweise hat Sulay sich eine Blöße gegeben. Er wurde langsam zu alt dafür, die ganze Zeit über auf der Hut zu sein. Kein Zweifel, daß er der Letzte war, als es ans Sterben ging. Ich kann ihn mir allerdings vorstellen … wie er starb. Nicht tapfer. So, wie wir unsere Leben geführt haben, werden jetzt wenige von uns tapfer sterben.“
    „Ihr … betrachtet Euch selbst als einen Wilden?“
    „Freilich“, sagte Bar-Woten. „Zwanzig Jahre nichts als der Lange Marsch und Schlachtgetümmel. Wie könnte ich da etwas anderes sein als ein Wilder? Ich habe keine sanfte Frau gefreit oder gute Kinder gezeugt, und meine Religion verschied vor Jahren unter meiner eigenen Hand. Ich habe Menschen auf die grausamste Art umgebracht. Und Ihr seid ein Esel, daß Ihr mit mir reist.“ Er grinste.
    „Möglich“, gestand Kiril ein.
    Barthel

Weitere Kostenlose Bücher