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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Gesicht, und seine Augen blitzten wie die eines Kindes.
    Die Lüster, die den Saal erleuchteten, klirrten und zitterten leicht. Kiril spürte, wie sein Nackenhaar sich aufstellte. Eine tiefe, unhörbare Vibration durchlief Fußboden und Tische. Im Saal war es plötzlich still. Hinter den Vorhängen durchbrachen die Geräusche einer Rauferei und Knurrlaute das Schweigen.
    Es gab keine Beben auf Hegira. Außer auf den Obelisken gab es keinerlei Berichte über Beben, und man nahm allgemein an, daß sie Plagen waren, die den Erstgeborenen in Augenblicken frevelhafter Selbstüberhebung auferlegt worden waren. Aber die Kronleuchter im Palast schwankten jetzt sehr deutlich, und der Boden ließ in seinem unter der Fühlgrenze liegenden Gemurmel nicht nach. Der König und die Königin erhoben sich zögernd, und sofort umringte sie eine Bedeckung von Wachen. Ein in fließende, schimmernde grüne Gewänder gehüllter Mann hastete mit zwei Lakaien in Rot im Gefolge längs einer Seite des Saales dahin; alle drei trugen Gefäße mit Weihrauch. Sie verließen den Saal.
    Das Reptil streckte seine Schnauze durch die Vorhänge und stand dann auf der Vorbühne, unsicher und unwillig, in die Zuschauerschar zu springen. Ein schwarz gekleideter Dompteur kam heraus und führte es wieder hinter die Bühne. Sein Schwanz wischte unter dem Vorhang hin und her wie der einer Katze.
    Barthel duckte sich mit weit aufgerissenen Augen unter den Tisch.
    Der Kapitän befahl seiner Mannschaft, an ihren Plätzen zu bleiben.
    Draußen war es schon seit einer Stunde dunkel, und ein leichter Nieselregen fiel. Die Wache auf der Dreizack spürte die Erschütterung als ein Singen im Rumpf. Vom Ufer her kräuselte sich das Wasser, und die Stämme des Quais knarrten.
    Bar-Woten stieg die Leiter vom Maschinenraum hoch und ging nach Backbord, um in das Dunkel hinauszustarren. Er konnte nichts sehen außer dem geduldigen Schimmern der Feuertauben und dem kleinen unruhigen Glühen aufgeschreckter Tiere im Wasser. Er kniff sein Auge zusammen, blickte geradewegs nach Norden.
    Eine Handbreit über dem Horizont flackerte etwas schwach auf, und es war keine Feuertaube. Es befand sich in der gleichen Gegend wie der Obelisk von Weggismarche – hätte sogar die Spitze des Nadelturms sein können –, und es gemahnte an Hitzegewitter in einer warmen Sommernacht. Sein Flackern schickte Blitze in sympathetischer Resonanz quer über den Himmel wie Botschaften zwischen Göttern.
    Und plötzlich, von jenseits der See her, ward es Licht. Gen Süden war der Schein nur trübgrau und matt, aber im Norden war es hoher, hellichter Tag. Bar-Woten sah den Obelisken ganz deutlich, einen weißen, vom Himmel abwärts gezogenen Strich, die Spitze im Laken des Tagscheins verloren.
    Er war nicht lotrecht. Mit uhrengleicher Langsamkeit veränderte er seinen Winkel. Die Erschütterung, die Bar-Wotens Füße schmerzen ließ und seinen Kopf pochen, war eine sehr abgeschwächte und ferne Auswirkung davon. Der Obelisk neigte sich und fiel!
    Er war jetzt Seemann genug und hatte die Tabellen hinreichend studiert, um zu wissen, daß alles, was eine derartige Größe hatte und fiel, schwere Verwüstungen längs jener fernen See und ihrer Küste anrichten würde. Das Ergebnis würden weitere Beben sein – und etwas, das er sich bis heute niemals vorgestellt hatte, von dem er aber wußte, daß es unvermeidlich sein würde.
    Durch den Zusammenprall von Welt und Turm würde sich das Meer erheben wie ein entfesseltes Ungetüm. Instinktiv wußte er, daß es bis Golumbine und darüber hinaus wüten würde. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie schnell sich eine derartige Vibration durch Wasser oder das Land darunter ausbreiten mochte, aber sie würde geschwind sein. Sie hatten allerhöchstem drei oder vier Stunden, um sich bereitzumachen.
    Er rannte zum Achterdeck und befahl einem Kajütenjungen, eine Botschaft zum Kapitän zu bringen. Während der Junge zur Gangway rannte und über sie ans Ufer stürzte, sah der Ibisier den abschließenden Augenblick des Falls.
    In gräßlicher Stille verschwand der Turm unter dem Horizont. Das Tageslicht flackerte und erlosch.
    Sich qualvoll seiner Unwissenheit bewußt, versuchte Bar-Woten zu berechnen, wie lange ihnen noch blieb. Er hatte sich genug physikalisches Grundlagenwissen angeeignet, um wenigstens eine Schätzung zu versuchen – es würde in Stunden statt in Minuten gemessen werden – aber wie viele? Schall bewegte sich durch Fels schneller als durch Luft

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