Die Obelisken von Hegira
Fanfaren noch Pomp. Über die Köpfe seiner Mannschaftskameraden hinweg konnte er kaum den Thron sehen, aber was er sah, traf ihn unvorbereitet.
Die Königin und der König waren wenig mehr als einen Meter groß, dabei aber wohlproportioniert und angegraut vom Alter. Sie trugen schlichte graue Anzüge und keine Kronen oder andere sichtbare Zeichen ihres Ranges. Nachdem sie ihre Plätze eingenommen hatten – die Königin auf dem Thron, der König zu ihren Füßen –, wurde das Mahl aufgetragen.
Der erste Gang war eine klare Suppenbrühe, gewürzt mit Curry, in der knackiges Gemüse schwamm. Dann kam ein Gericht aus gedämpften Weizenkörnern mit einer Sauce aus Schellfisch und grünen Bohnen. Der Hauptgang war Matu Paka, Rindfleisch und Schweinefleisch gekocht in Brühe und Butter und garniert mit dicken Blättern süßen Kohls. Barthel stocherte ohne Begeisterung darin herum – Schweinefleisch gehörte zu den ihm verbotenen Speisen –, aber Kiril dachte bei sich, daß er noch nie etwas so Schmackhaftes gekostet hatte. Ein Kornlikör, süß und beißend, wurde gereicht mit dickflüssiger Schlagsahne und einem kaffeeartigen Gebräu. Die Nachspeise folgte. Als die Gesellschaft mit den gewürzten Früchten und den Sahne-Eierschnee-Baisers fertig war, begann der unterhaltende Teil des Abends.
Die Vorhänge glitten zur Seite und gaben den Blick frei auf eine Bühne, die bis auf bauschige, über verborgene Requisiten drapierte Bahnen blauen Kräuselstoffes leer war und von Dutzenden von Insektenwachslampen erhellt wurde. Ein einzelner Mann, gleichfalls in Blau gekleidet, sprang hinter einer verhängten Kiste hervor und stieg auf sie hinauf, während er zugleich einen Fächer aus seinem Hemd zog und ihn weit spreizte. Er lächelte, pfiff und winkte lockend mit dem Fächer zur linken Seite der Bühne.
Einige aus der Mannschaft wußten, was jetzt kommen würde. Viele andere wußten es nicht, und ein Aufschrei des Entsetzens erhob sich, als das Untier auf die Bühne stapfte. Barthel verspürte ein Frösteln, als erblicke er da etwas Unheiliges.
Es war um die zwei Meter groß und stand auf dicken, kraftvollen Hinterbeinen, im Gleichgewicht gehalten von einem schlangengleichen Schwanz. An Kehle und Bauch und Wammen war es himmelblau und emailgrün wie ein Käfer überall sonst. Seine Augen waren rot wie Rubine und umrahmt von Ringen in Schwarz und Orange. Mit seiner Gangart, die geschmeidig war wie die eines Tänzers, und seinem mit glitzernden Zähnen besetzten Maul war es wirklich ein prächtiges Tier. Es verneigte sich vor dem Mann auf der Bühne, den Schwanz dabei unter sich zusammengeringelt. Vogelgleich blinzelte es mit Nickhaut-Membranen von hinten nach vorne, als es das Publikum musterte. Eine dicke schwarze Zunge flackerte zwischen schillernden Lippen.
Eine Frau in Rot, ganz ähnlich wie der Mann in eine sackartige Hose und ein Hemd gekleidet, stand auf und erklomm ein anderes drapiertes Podest. Sie holte einen zweiten Fächer hervor, spreizte ihn und winkte nach rechts. Ein mannsgroßer, schwerschnäbeliger Vogel überquerte die Bühne und ließ sich vor ihr nieder, mit offenem Schnabel und starrem Blick, den Kopf hin und her wendend. Er wirkte beunruhigter als sein reptilischer Gefährte. Ein zweiter Mann rief zwei Löwen herbei, und eine zweite Frau lockte einen Tiger heraus, der vom Kopf bis zur Schwanzspitze vier Meter lang war und statt des üblichen Schwarz und Orange graugrüne und weiße Streifen hatte. Ruhig nahmen die Tiere ihre Positionen ein.
Der erste Mann begann einen gleitenden Tanz über die Bühne zwischen den Tieren. Der Tiger leckte zufrieden eine Pfote. Der Vogel stakte vorwärts und schloß sich dem Mann in einem fremdartigen, anrührenden Ballett an. Die erste Frau begann ihren eigenen Tanz, und der Tiger pirschte mit vollendeter Präzision unter ihren wirbelnden Beinen hindurch. Das Reptil erhob sich.
Indem auch noch die Löwen hinzustießen, wurden sie vollends zu einer dicht verwobenen Abfolge fließender Körper und überraschender Farben. Der erste Tanz endete damit, daß eine Frau den Tiger ritt und ein Mann das Reptil an einem kurzen Halfter führte. Kiril konnte seinen Blick nicht losreißen. Jeden Augenblick erwartete er ein Desaster und fleischfresserische Vergeltungsmaßnahmen. Als die Vorhänge fielen, kreuzte die Besatzung der Dreizack ihre Arme und klatschte ihre Handflächen auf ihre Bizepse. Kiril und Barthel ahmten den Applaus nach. Ein Grinsen lag auf des Khemiten
Weitere Kostenlose Bücher