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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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vielleicht dort, wo nichts als ihr Licht zu sehen war … Einen winzigen Augenblick lang gab er sich einem Tagtraum hin, und der Obelisk wurde schuppig und wand sich wie der Schwanz eines Drachen. Energisch schüttelte er den Kopf, um diese Flausen wieder zu vertreiben. Nach einer Woche stand der Obelisk schon im Dunst des Horizonts.
    Der Geruch der See änderte sich, als sie sich den Wassern der Bicht näherten. Die Inseln wurden zahlreicher, einige mit kleinen Fischersiedlungen und Hütten auf hohen Stelzen. Wie Bar-Woten erfuhr, hob sich die See während eines Sturmes oft über die Inseln. Es war ein rauhes Leben. Und doch saßen die Menschen so fest wie Nasenknebel, und Bar-Woten wußte, daß der Leim, der sie hielt, die Vergangenheit war. Wo die Vergangenheit Gewicht hatte, da blieben die Leute.
    Die Dreizack trieb munteren Handel zwischen den Inseln, wobei sie sich zudem auch als Schlepper und Vermittler betätigte. Ihre Hauptladung war für Weggismarche bestimmt, aber sie verfügte über mehrere Tonnen Werkzeuge und Netze, die sie bei anderen Landungen an Bord genommen hatte. Kiril und Barthel halfen bei der Inventur. Bar-Woten steuerte eine der Motorbarkassen, die die Waren zu jenen Inseln schafften, denen es an Hafenanlagen mangelte.
    In diesen Wochen sahen sie weiße Strände, gesäumt von Palmen, die in der Brise raschelten und knisterten, und hohe grüne Berge, dicht bestanden mit Gestrüpp, durch das noch nie ein Mensch gekrochen war, und Inseln, die so groß waren, daß sich nicht entscheiden ließ, ob sie nicht das Festland waren, bis man vollständig um eine herumgesegelt war und denselben Banyan-Baum aus zwei Richtungen gesehen hatte. Kiril atmete dies alles ein und blies es wieder aus und zog Kraft daraus. Des Nachts ließ er seine Hände über seinen Rücken gleiten und spürte dort die Furchen der Peitschennarben. Dann fragte er sich bisweilen: Wer hat das getan? Ich? Ich doch nicht! Der andere.
    Der Junge.
    Er arbeitete mit den Verlademannschaften auf Frachtwachen, bis Schweiß ihn mit einem feinen Glanz überzog. Er half, die Röhren der Methantanks zu richten und wieder anzubringen, und fuhr mit den Booten hinaus zu den Riementangbeeten, um die großen Unterwasserbäume zu ernten. Auf Deck hingen sie in mit Leinenzeug abgedeckten Beuteln, bis sie geschnitten und zum Trocknen gestapelt wurden. Ihr Gestank war unerhört. Nach einigen wenigen Tagen jedoch hatten sie sich in hübsch ordentliche, geruchslose Blöcke verwandelt, eingekastelt und verstaut zum späteren Gebrauch in den methanerzeugenden Tanks. Der Wind war von der See, und der Tang war von der See, und er wußte, wie er am Tage schwitzte und in der Nacht seine Narben spürte, daß die Dreizack der See nichts anderes tat als jedes andere Seegeschöpf auch. Er war nicht länger ein Pönitent, ein Reisender aus Furcht heraus, sondern ein Mannschaftsmitglied der Dreizack.
    Umgekehrt genoß Bar-Woten zwar die Arbeit und wurde vertraut mit der See, war aber nicht Teil des Schiffes. Er konnte nie wieder mit ganzem Herzen in irgend etwas aufgehen. Er arbeitete mit den Kesseln und der Maschine und erkannte sie als das, was sie waren, Teile aus Metall, die füllten und pumpten und antrieben, nicht Glieder eines lebendigen Organismus.
    Barthels Begeisterung drang nur selten zu ihm durch. Das meiste von dem, was der Khemite von Avra lernte, würde keinen großen Wert für sie haben, wenn sie erst einmal im Norden an Land gingen und ihren Treck wieder aufnahmen. Bar-Woten schien es, als verliere die ursprüngliche Reise fortwährend an Dampf. Sie wurden aufgesogen von dieser unbedeutenderen, tüfteligen Fahrt über das Meer und von Eiland zu Eiland.
    Die Hauptinsel der Bicht hieß Golumbine. Sie lag zweitausendfünfhundert Kilometer von Weggismarche entfernt. An außergewöhnlich klaren Tagen konnte man den Weggismarche-Obelisken von ihrer Nordseite aus als nahezu unsichtbaren Strich ausmachen. Die Dreizack umsegelte die Ostspitze, vorbei an titanischen Granitsäulen, die gekrönt wurden von vor Tausenden von Jahren aus dem schieren Fels gehauenen Tempeln. Über den Stränden, in den felsigen Hügeln, erhoben sich drei Statuen aus dem Dschungel. Jede war volle hundert Meter hoch und aus durch die Jahrhunderte geschwärzter Bronze verfertigt. Die zentrale Skulptur stellte eine Frau dar, die tanzte, das rechte Bein gekrümmt, bis ihr Fuß grad oberhalb des linken Knies schwebte, beide Arme mit den Handflächen nach oben gen Himmel gereckt. Sie war

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