Die Oder gluckste vor Vergnügen
Kegelklub. Aber man brauchte nicht den Kopf zu schütteln. Wie der Baß es erläuterte, schien es löblich, daß nicht nur immer dummes Zeug vereinsbemeiert wurde, sondern auch mal das Sinnbild der Liebe. Er sprach es wie »Heilkraft der Kamille«. Er kannte nichts Abstraktes.
Und wenn er sagte, die Rose werde schon seit siebentausend Jahren gezüchtet, so klang das wie »seit letzten Freitag«. Und Mesopotamien, das alte Rosenland, lag an der Kleinbahn nach Tantow.
Der Baß ließ seine Tabakdose klappen und rollte das Wort wie ein knarrendes Rad aus seinem Munde.
»Die Christen haben den Heiden die Rose weggenommen und ihrer Maria gegeben.« (Maria neigt sich und dankt. Man sah es wie ein Bild auf der Theke.)
»Tja, die Katholischen wissen immer, was schön is«, klang es aus der anderen Ecke.
Stille. Nichts als das Ticken der Uhr. Und in die Stille platzten Bibi und Cotta herein, blankarmig und hell, brachten Brunnenduft mit und Begeisterung. Cotta hatte jetzt statt der Shorts einen blauweißen Rock an. Einhunderteinundzwanzig Kilometer hatten sie abgespült, und sie gebärdeten sich, als hätten sie den Gebrauch des Wassers überhaupt erfunden.
Die Bärte schmunzelten.
»Na, dann kommen Sie mal Abendbrot machen«, sagte die Wirtin.
Cotta und Bibi wuchsen von den Holzbänken, wachsende Befremdung.
»Sie weiß nicht, was den Schnäbeln paßt«, half der Rosenbaß. »Sie sollen sich selbst was machen.«
Als ich vom Brausen kam, scholl schon lebhaftes Geplapper aus der Küche. Sie hatten sich in ihre Rollen gefunden. Cotta, in Schürze, rührte Quark an. Bibi schwenkte Salat.
»Bibi, jetzt ist’s genug!« rief Cotta. »Friß nicht alle Blätter vorher auf. Hol die Wurst aus der Kammer.«
Bibi kam mit der Wurst und wollte sich wälzen vor Lachen. Die Wurst war unförmig wie ein Boxhandschuh.
»Wir sind hier auf dem Lande«, sagte Cotta. »Guck dich um, hier ist alles so unförmig.« Auf dem Herd standen Kannibalen-Kochtöpfe. Schräg darüber hing das Wandtelefon. Bibi warf die Wurst auf die Fensterbank, lief mit fliegenden Zöpfen hin und ließ den Hörer neben den Kochtopf baumeln.
»Hier spricht der Schweinebraten aus Gartz an der Oder!«
»Du sollst die Wurst schneiden!« rief Cotta. Und sandte mir einen Blick zu, einen optischen Seufzer: Nein, dieses Kind! Aber dann knickte sie plötzlich nach vorn weg und lachte sich halbtot.
Da gab es nichts. Sie hatte ihre Lachkolik, die mußte erst abflauen. Cotta erholte sich und schnitt Schnittlauch. Die Lachtränen kullerten noch. Bibi fand kein Messer für die Wurst.
»Aber doch nicht mit der Brotmaschine, Bibi!«
Die Wirtin kam vom Viehfüttern und erstarrte: »Was machen Sie denn da?«
Bibi hatte mal was von Schinkensäge gehört und eine richtige Säge für die Wurst genommen.
»Ja, haben Sie denn zu Hause keine Küche?« fragte die Frau.
»Doch«, druckste Bibi. »Aber es ist hier alles so f-f-f-furchtbar groß.« Sie war sehr erleichtert, als ihr die Wirtin eine Schüssel gab und sie in die Erdbeeren schickte. Ich ging mit.
»Aber passen Sie auf, daß auch ein paar in die Schüssel kommen«, rief uns Cotta nach.
»Im Garten (ohne Cotta) war Bibi gleich wieder ernst. Wir füllten die Schüssel und guckten ab und zu auf die Oder.
»Wenn man bedenkt«, meinte Bibi, »die fließt nun immer hier vorbei...«
Es war eine von den tiefsinnigen Bibi-Bemerkungen.
Man sah ein blaues, ruhiges Wasser im Schilf, in den Wiesen, in den Feldern. Daß der Fluß von Schwedt kam, von Küstrin oder sonstwoher, vergaß man. Und daß er nach Stettin floß, ins Meer, war dunkle Legende. Er war so hierher gehörig, so ganz nur hier, der Ausschnitt für das Ganze, wie ein Tag in der Zeitenkette.
»Haben Sie Cotta etwas von dem Gedicht gesagt?« fragte Bibi.
»Nein.«
»Das ist gut. Es würde mir nämlich leid tun — für Cotta.« Leid? Ihre Stimme bebte vor Triumph.
Sie warf einen sondierenden Blick nach der Küche und brachte mir eine »besonders schöne« Erdbeere.
Der Geschmack der Erdbeeren schien eigens für solche Szenen geschaffen.
»Gut?«
»Vor allem der Sand.«
»Hier ist eine bessere!«
Inzwischen suchte ich Erdbeeren für Bibi. Wir brachten uns die ausgewählten gegenseitig querbeet. Ein unpraktisches Verfahren. Wie mit dem Krieg. Einer hat mal gesagt: »Soll doch jede Partei gleich ihre eigenen Bataillone erschießen. Das erspart die Transporte zur Front.«
»Ach, machen Sie lieber ein Gedicht«, sagte Bibi.
»Schenkt man sich Erdbeer’n bei
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