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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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sieht.«
    »Sehn Sie’s anders?«
    »Na, doch wohl. Ich meine, es ist ein Unterschied, wenn ein Mann entzückend sagt. Bibi ist... ein Naturkind, nicht?«
    »Und Sie?«
    »Ich...?« Andeutung eines Seufzers. »Ernster. Viel, viel.«
    Ich dachte daran, wie sie vorhin gekichert hatte.
    »Oder finden Sie nicht?«
    Blick. Das Gesicht nicht erkennbar — aber es war kein Schulmädchenblick, das merkte man.
    Die Schultasche fiel ins Wasser, so war das. Sie stand mit leeren Händen. Und nun guckte sie mich an. Was an einer Frau ist, entscheiden die Männer, nicht die Freundinnen in der Schule. Rätselhaftes Läutenhören, Beobachten, Immer-gewisser-in-sich-Fühlen. Was ich bin, erfahre ich an ihm, durch ihn. Nun also, hier ist ein Mann. Er soll reden.
    Ich war doch aber selbst noch fast so ein Schaf wie die beiden. Allerdings hatte ich eine Freundin gehabt, die älter gewesen war als ich. Das machte urteilsfähig.
    »Bibi ist so lebenslustig«, sagte Cotta.
    »Sie nicht?«
    »Na, ich bin ein anderer Typ, nicht?«
    Nicht? Das hieß: Nun sagen Sie mir, wie ich bin!
    Ich rauchte. Das Streichholz entschwamm im Dunkel. Ich hätte nun mit Cotta in Seele baden sollen. Ich hätte auch sagen können, daß Cotta schön sei. Zum Angsthaben schön.
    Nein, keine Einschränkung, so, wie man liest: »Sie war nicht unbedingt eine Schönheit... Nur fast... nur in gewissen Momenten.«
    Cotta war unbedingt. Nicht nur fast. Nicht nur in gewissen Momenten.
    »Pusten Sie mal ein bißchen Rauch her, wegen der Mücken!«
    Ich tat es, blieb aber, wo ich war. Cotta war ein Vis-à-vis-Typ und kein »Mäd’le, ruck, ruck, ruck«.
    »Sie pusten sehr eifrig«, sagte Cotta. Sie lachte. »Wenn Bibi hier stünde, würden die Zöpfe wehen.«
    »Bibi steht aber nicht da«, sagte ich.
    Sie wurde sehr wachsam. Nur ein Spannen der Fußsehne, daß das Holzbrett leise nachgab.
    Wie hatte ich das gemeint? Doch wohl nicht zu ihren Ungunsten?
    Wie hätte ich!
    Für Bibi hatte ich eine Wetterfahne von Tante Normas Dach geholt. Alle Kirchen in den Kornfeldern ringsum wären nicht sicher gewesen, wenn Cotta jetzt auch eine Wetterfahne verlangt hätte.
    Vorsicht, alter Freund. Was denkst du dir? Ihr seid eine Reisefamilie. Vergiß das nicht...
    Fischer tuckerten vorbei. Man hörte die Stimmen am Schilf entlang, sah ihre Tabakspfeifen glühen. Sie fischten uns die letzten Worte weg und trugen sie mit sich fort.
    Und Cotta — zwei Schritt entfernt — stand wie am anderen Ufer. Fremdheit, wie Bibi Vertrautheit war.
    »Deutsche Männer und Frauen«, hieß es immer, deutsch, alles eins. Cotta, Mensch mit Mädchenseele, fremde Gattung, fremdes Geschick. Sie ließ es viel stärker merken als Bibi. Wir gingen zurück. »Ob Bibi jetzt alle Sachen versengt hat?«
    Das Plätteisen war ja nicht elektrisch. Es wurde auf der glühenden Herdplatte erhitzt.

    Anmerkung der Sekretärin: Hier folgten ein paar frivole Nachtgedanken, deren Zurkenntnisnahme bestimmt nicht im Interesse meines Chefs liegen würde. — Gruß Luthcher, Sekretärin.

Cotta geigt und Bibi küßt

    Am nächsten Morgen ließ Cotta durch Bibi sagen, sie habe Muskelkater, sie könne nicht radeln.
    »Es tut ihr der Kopf weh, wenn sie nur an den Sattel denkt«, erklärte Bibi. Der Kopf. Also blieben wir am Orte und gingen schwimmen.
    Die Badeanstalt war am anderen Ufer der Oder. Ein bißchen Holz, ein bißchen weißer Sand, dahinter die Landschaft. In Wogen von Buschgrün blieb die Stadt hinter der Brücke zurück.
    Nirgends ein Mensch. Es war, als hätten sich alle Einwohner in den Kornfeldern versteckt. Und abends gingen wir in die Stadt.
    Bibi hatte einen wünschelrutenartigen Sinn für Eisdielen. Sie steuerte mit unfehlbarer Sicherheit auf ein Efeuhäuschen am Rande eines Grünplatzes zu. Dort kriegte man sogar ein Schokoladenhütchen auf das Eis geträufelt, das vor den Augen des Käufers erstarrte.
    Auf dem Grünplatz stand in Gruppen viel Volks.
    »Da ist ein Zirkus«, sagte Bibi Eis leckend.
    »Aber der ist noch nicht fertig«, meinte Cotta.
    Das war ein Irrtum, der Zirkus war nur so murkelig. Es war der murkeligste Zirkus, den wir je gesehen hatten. Es gab weder ein Zelt noch eine Kapelle noch einen einzigen Stuhl für das Publikum. Die Manege lag einfach so im Kraut.
    Der Zirkusdirektor erjagte sich sein Geld buchstäblich mit der Fliegenklatsche. Denn da er kein Zelt und keine Sitze hatte, wimmelte es von Zaungästen, die immer Reißaus nahmen, wenn er mit seinem Zylinder kassieren kam. Auch bei uns

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