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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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an, überwältigt von der Erinnerung an so viel Raffinesse.
    »Dann ist der Professor nicht mehr wütend?«
    »Wie kann er!« rief Cotta. »Besonders, wenn sie ihn dabei so schräg an guckt, wissen Sie, sooo...«
    Cotta versuchte es nachzumachen. Es war eine originelle Darbietung: Ein Bibi-Blick aus Cottas Augen. »Sie guckt ihn an, als wollte sie sagen: >Was soll ich mein Englisch können, wenn mich Ihre Nähe so verwirrt, lieber Herr Professor? !<«
    »Und was macht er dann?«
    »Dann stellt er sich nur noch wütend, >Setzen Sie sich<, sagt er. Und tut, als schreibe er eine schlechte Note in sein Buch. Aber auf dem Zeugnis kriegt Bibi immer >Befriedigend<.«
    So sei’s mit allem. Nur im Turnen habe sie wirklich verdiensteshalber eine »Eins«.
    Das mußte stimmen, denn sie hatte den Kahn richtig ans andere Ufer bugsiert und nahm die Schüsseln in Empfang...
    Nach dem Essen beschlossen wir, Bibi als »Prinzessin von Saba« in das Zirkusprogramm einzureihen. Cotta zog sich an und radelte in die Stadt, um Kostümzutaten zu besorgen und wegen der Koffer mit Berlin zu telefonieren.
    Bibi folgte ihr mit den Blicken, wie sie tennisweiß und mit blinkenden Speichen hinter einem Heuwagen über die Brücke fuhr. Dann wandte sie sich mir zu.
    Wir lagen bäuchlings im Sand. Ich machte Notizen zum Zirkusprogramm. Bibi legte einen Zopf in Reichweite. Ich streichelte ihn mit dem Bleistift.
    »Ich glaube«, sagte sie träumerisch, »Cotta ist verliebt.«
    »Wieso Cotta? Sagten Sie nicht, sie sei gegen Liebe gefeit?«
    »Anscheinend seit vorgestern nicht mehr.«
    »Seit vorgestern?«
    »Ja.« Bibi hob rasch den Kopf und sah mich an. Blonde, nasenflüglige Aufmerksamkeit. »Da haben Sie doch den Abendspaziergang mit ihr gemacht, nicht?«
    »Ja, das Stück ans Ufer. Und?«
    »Danach war sie so komisch. Als wir im Bett lagen, gab sie mir einen Kuß.«
    »Ist das etwas so Besonderes?« fragte ich.
    »Gewöhnlich würde Cotta lieber eine Distel küssen.«
    »Und wie erklären Sie sich also diesen Ausnahmekuß?«
    »Überschwang oder Mitleid«, meinte Bibi. »Sie wollte mir was abgeben.«
    »Haben Sie Cotta etwas von meinem Gedicht abgegeben?«
    »Nein«, sagte Bibi. »Aber — haben Sie ihr auch ein Gedicht gemacht? Ehrenwort!«
    »Ehrenwort. Cotta war wohl nur glücklich, weil’s so nett hier ist.«
    »Es ist auch nett hier«, sagte Bibi mit unterdrücktem Frohlocken. Anscheinend fand sie die Bilanz recht günstig. Cotta: weder Gedichte noch Kuß. Sie, Bibi: ein Gedicht, sozusagen die Präliminarie zu einem solchen.
    Ich zog ein wenig an ihrem linken Zopf. Und wie Cotta es geschildert hatte: Sie gab mit dem Kopfe nach. Und wie! Es war nur zu verständlich, daß der Englischprofessor dies befriedigend gefunden hatte...
    Abends radelten wir zum Zirkus. Es war viel Volk da. Aber was mochten sich die Leute erhoffen? Jossopoff würde nicht auferstehen, demnach auch nicht noch einmal zusammenbrechen.
    »Der Andrang gilt Cotta«, meinte Bibi.
    »Oder schon Bibi«, meinte Cotta.
    »Aber es ist ja noch eine Ziege da«, sagte ich. Sie hatten keine Zeit zu überlegen, ob ich etwa das »noch« betont hatte. Der Direktor holte uns gleich in den Wagen. Dort wurde die tatendurstige Bibi in einen Turban und ein Bettlaken gewickelt. Nach den Auftritten von Cotta und Geige und Ziege und Weißbierglas — und nach der Rollschuhnummer — erklomm ich mit ihr den Perron.
    In farbigen Worten erzählte ich dem Publikum von einer Kindesverwechslung am Hofe von Saba. Hier das Opfer, ausgestoßen, eine Prinzessin. Nur unter allergrößter Überwindung würde sie sich nachher im Trikot zeigen.
    »Hi!« kicherte Cotta unter uns.
    Nun interviewte ich Bibi. Als Antwort plapperte sie jedesmal einen Vers aus einem französischen Kinderlied. Das ergab einen schreienden Unsinn, doch es klang so hübsch. Wer merkte schon, daß es ein Katz-und-Mäuse-Gedicht war!
    Als ich die Prinzessin fragte, wo sie denn die letzten Jahre verbracht habe, kam ausgerechnet: »Unterm Bette, auf der Erde, vor dem Loch...«
    Im Publikum begann jemand dröhnend zu lachen. »Mäuseprinzessin!« scholl es. »Katzen-Saba! Saba-Mausekatze aus Berlin!«
    Es war der Rosenbaß. Der verstand Französisch, und er gab uns unseren Berliner Dünkel zu schmecken. Bibi wäre am liebsten in der Plattform versunken. Als sie vor Schreck nicht weiter wußte, warf er ihr sogar ein, zwei Verse hinauf — Gartzer Backsteinfranzösisch. Aber immerhin. Er konnte es besser als Bibi.
    Es war ja sowieso alles nur

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