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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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und durften in den Wohnwagen. Dort wischte die Frau Direktor ihr Gesicht und den Tisch ab und bot uns Plätze an. Der Wagen war so schon eng, ein Wohnküchengerümpel auf Rädern. Und die Matratzen tagsüber hochgeklappt. Bibis Neugier sprengte fast die Wände.
    Cotta wurde gefeiert. Sie sollte einen Kartoffelschnaps trinken, aber das wollte sie nicht. Die dicke Direktorin jammerte. Der Direktor zeigte uns Fotos aus besserer Zeit, als der Schnauzbart noch straffer, der Zylinder noch neu gewesen war. Und er bat uns, am nächsten Tag noch einmal zu kommen. Auf Jossopoffs Rücken hatte ja die ganze Existenz gelegen — das Vorwärtskommen in jeder Beziehung. Jetzt müßten sie sich erst besinnen, was zu machen sei.
    »Besinnen?« fragte die Zirkusprinzessin scharf. »Da gibt’s kein Besinnen. Laden zu und heim!«
    Es entspann sich ein hitziger Disput zwischen Direktor und Direktorin. Da spielte der Schnaps eine Rolle. Wenn der Direktor nicht immer in den Becher geguckt hätte, besäßen sie längst einen neuen Jossopoff.
    Die Direktorin schluchzte.
    »Können Sie nicht noch etwas?« fragte der Direktor lauernd.
    »Tss...?« machte die Tochter höhnisch.
    »Ich spiele morgen noch einmal«, sagte Cotta.
    »Und ich denk’ mir was aus!« rief Bibi.
    Mondkalb! stand in den Blicken der Zirkusprinzessin. Mondkälber, alle zwei. Und du — ihre Augen streiften mich kalt — bist der dazugehörige Mondmann.
    Aber der Direktor erhoffte sich etwas von uns. Und wenn wir auch noch nicht wußten, was wir ihm bieten sollten, so versprachen wir hoch und heilig, zu kommen.
    Als wir gingen, mußten wir an Jossopoff vorbei, über dem jetzt eine schmutzige Plane lag.

    Der nächste Morgen sah uns in der Badeanstalt. Wir standen alle drei auf dem Sprungturm und besprachen die Zirkusnothilfe.
    Wie wär’s mit einer Szene aus Ihrem Drama?« fragte Bibi. »Oder mit Akrobatik?« Sie machte Handstand und Spagat. Der Badeanzug war gelb und glatt. Cotta blickte mißbilligend auf Bibis unbefangen dargebotene Anatomie. Sie selbst (in Jadegrün) bewegte sich nicht so freimütig.
    »Na?« frage Bibi Beifall heischend.
    »Ach, das vor Publikum!« sagte Cotta. »Und dann mit Zöpfen! Wie Hampelmanns Frau.«
    Im Augenblick trug Bibi die Zöpfe allerdings hochgewickelt unter der Badekappe.
    »Jedenfalls will ich heute abend auch auftreten«, sagte sie. »Rex, denken Sie sich was aus.«
    »Bibi geht als Dame ohne Unterleib«, erklärte ich. Cotta lachte. Worauf uns Bibi mittels ihrer starken Knie ins Wasser stieß. Als wir auftauchten, sahen wir sie hoch oben frohlocken, ein glattes, prächtiges, in den Himmel wachsendes Mädchenweib.
    Wir spien die halbe Oder aus und sanken auf den Strand. Cottas Flanken bebten, jeder Nerv vibrierte noch von dem Schreck.
    Bibi kam ungerührt herbei. »Was wird mit unseren Koffern?« Es mußte unbedingt telefoniert werden. Das Gepäck sollte hierher — und nicht nach Swinemünde. Sie stritten sich, was sie sich noch schicken lassen wollten. Jeder glaubte besser zu wissen, was der anderen stehe und was nicht.
    »Ihr hext euch gegenseitig das Unkleidsamste an, um einander zu übertrumpfen«, meinte ich.
    »Re-hex«, sagte Bibi. »Ich werfe Sie gleich noch einmal ins Was...« Sie unterbrach sich, denn sie hatte am anderen Ufer unsere Wirtin erspäht. Die Wirtin wollte uns Essen bringen. Das war hier Brauch, auch wenn der Empfänger auf dem Felde des Sommers nichts anderes mähte als Ferienstunden.
    Bibi nahm den Kahn, der neben der Badeanstalt lag, und stakte los.
    »Nicht doch mit der Stange!« rief Cotta. Bibi ließ außer acht, daß Generationen im Strombett gebaggert hatten. Die Stange verlor den Grund, die Schifferin jumpte über Bord. Von beiden Ufern gellten Schreie.
    Doch Bibi war schneller wieder im Boot, als man hätte bis drei zählen können. Sie ruderte jetzt mit einer Sitzbank. Wegen der Strömung geriet der Kurs immer mehr ins Diagonale. Die Wirtin lief mit schwappenden Emaille-Satten am anderen Ufer mit. Wenn das so weiterging, trafen sie sich in Stettin.
    »Typisch Bibi«, sagte Cotta. »Einfach immer so drauf los. In der Schule ist sie genauso.«
    »Wie macht sie sich denn im Unterricht?« fragte ich neugierig.
    »Sie lernt«, sagte Cotta. »Aber nur die Schwächen der Lehrer Wenn sie beim Professor Stoll am Katheder steht und ihr Englisch nicht kann, dann ist der Professor natürlich wütend... Aber wenn er nach ihrem Zopf greift, müßten Sie sehen, wie sie mit dem Kopf nachgibt.« Cotta funkelte mich

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