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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Spaß. Und der Ulk bekam eine liebliche Note, als Bibi das Laken von den Schultern streifte. Ihr Trikot war der gelbe Badeanzug, beklebt mit Sternchen aus einem Kramladen.
    »Die Prinzessin sucht einen Freier«, verkündete ich. Wer ihre Kunststücke nachmachen könne (ob Mann, ob Weib), dürfe sie heiraten.
    »Rex!« zischte Cotta, durch die erste Panne bedenklich gemacht. Es war jedoch nicht zu fürchten, daß der Rosenbaß Spagat und Handstand konnte.
    Bibi bog und neigte und reckte und streckte sich. Sie zeigte ihre ganze Bibi-Akrobatik. Und wenn’s nicht sensationell war, so sah es doch kolossal gesund aus. Viele junge Burschen warfen dem Direktor Münzen in den Hut.
    Nun begann das Nachmachen. Ein paar Jünglinge drängten sich an der Leiter. Drei zappelten sich vergeblich ab. Spagat war nichts für hiesige Knochen.
    Der Direktor brüllte immer lauter: »Wer noch? Wer noch?« Denn wer es nicht schaffte, kam erst recht nicht an seinem Hut vorbei.
    Bibis Ansehen wuchs mit jedem, der geschlagen in der Menge verschwand. Auch ihr Übermut wuchs, und zwischendurch stand sie mal wieder rasch auf einer Hand, um zu zeigen, wie leicht es sei. Das ging so lange, bis einer kam, der es noch besser konnte.
    Es war ein Jüngling vom Arbeitsdienst. Er guckte sich Bibi sehr frech aus der Nähe an, machte Brücke und machte Spagat...
    »Rex!« rief Cotta. Sie witterte Unheil.
    »Nun auf einer Hand«, sagte Bibi.
    Das konnte er auch. Er konnte sogar auf einer Hand hin und her hüpfen. Dann schwang er sich unter dem Gejohl seiner Mitmänner auf die Füße und schrie: »Und jetzt heiraten!«
    »Bibi...!« rief Cotta. Ihre Stimme ging im Getümmel unter. Bibi hatte sich mit ihrem Bezwinger auf einen Kuß geeinigt.
    »Moment!« schrie der Direktor. Er mußte erst den Scheinwerfer richten. Seinen Hut gab er Cotta — zum Weitersammeln. »So, nun los!« Der Direktor verfolgte die Szene wie ein Kameramann.
    »Bibi...!« kam noch einmal von irgendwoher Cottas Schrei.
    Bibi küßte schon.
    Sie küßte mehr den Kuß als den Jüngling. Es war eine Kulturhandlung. Übrigens war es der erste Kuß, den sie jemals außerhalb der Familie geküßt hatte.
    Die Menge johlte.
    Cotta bebte vor Zorn, als wir herunterkamen. »Weißt du, was das war, Bibi? Eine öffentliche Preisgabe!«
    »Eine was?«
    »Eine öf-fent-li-che — Preis-ga-be«, wiederholte Cotta.
    »Na, was denn sonst?« rief Bibi. »Es sollte doch was einbringen!«
    »Sechsundzwanzig Mark und fünfundvierzig Pfennig«, sagte strahlend der Direktor. »Wenn das so weitergeht, haben wir nächste Woche einen neuen Jossopoff.«
    Bibi zog im Wohnwagen das Kleid über ihr Trikot. Die Direktorin kochte Kaffee, und der kleine Schnauzbart wußte sich nicht zu lassen.
    Die Zirkusprinzessin kam auch, setzte sich auf eine Kohlenkiste und ließ kein Auge von den Mädchen. Die beiden waren mehr Zirkus für sie, als sie für die beiden. Es war eine Schande, daß sich die Alten auf ein solches Affentheater eingelassen hatten - Pleite hin, Pleite her. Sie war der einzige reelle Programmpunkt gewesen. Und Handstand konnte sie auch...
    Von den Segenswünschen der Direktorsleute geleitet, gingen wir.
    Unter einem Lindenbaum stand der Rosenbaß mit seinem Stock und mit dem Böttcher und rief: »Mäuseprinzessin von Saba! Der nächste Freier bin ich. Ich lern’ heute nacht, auf einer Hand zu stehen.«
    »Und Spagat!« rief Bibi zurück.
    Mir aber hatte die Zirkusprinzessin heimlich einen Zettel zugesteckt. Darauf stand: »Wollen Sie nachher noch einmal kommen, allein? Knipsen Sie am Wohnwagen ein Feuerzeug an. Das höre ich dann schon...«

    Anmerkung der Sekretärin: Das folgende Kapitel hatte keinen Namen. Ich nannte es »Rollschuhliebe«.

Rollschuhliebe

    Ein Uhr schlug’s vom backsteingotischen Turm. Ich schlich an den Hecken entlang.
    Bibi und Cotta schliefen. Im Schankraum hatte ich mich durch eine tüchtige Portion Wacholder gestärkt. Der Wacholder hatte mich davon überzeugt, daß die Zirkusprinzessin nicht zu verachten war. Auch würde sie kein Lamento machen. Derlei Dinge nahm sie als etwas Selbstverständliches. Gesellschaftliche Komplikationen waren da nicht zu befürchten...
    Im Wohnwagen brannte kein Licht. Ich legte mein Ohr an die Planken und hörte Herrn und Frau Direktor schnarchen. Da ich kein Feuerzeug hatte, strich ich ein Zündholz an.
    Das Zirkusmädchen, an promptes Auftreten gewöhnt, stand sofort da. Hastig entfernten wir uns vom Wagen. Im Mondlicht sah ich, daß sie in Gala

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