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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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war, jeder Zoll Zirkusprinzessin. Ohrringe blinkten, auf den Schuhen trug sie Silberflimmer.
    »Ich wußte, Sie würden kommen«, sagte sie. »Sie sehen nicht aus, als könnten Sie einem Mädchen etwas abschlagen.«
    »Wenn das Mädchen hübsch ist...«, murmelte ich.
    »Also bin ich hübsch«, stellte sie fest.
    Doch, das war sie. Sie hatte auch etwas Resolutes, Bewußtes. Und wenn sie vom Leben zerzaust und gebeutelt war, so hielt sie sich um so besser.
    »Ihre Damen schlafen schon?« fragte sie. Das klang anzüglich. Ich war aber nicht gekommen, um Cottas und Bibis mangelnde erotische Verwendungsmöglichkeit zu diskutieren.
    Wir fanden an der Oder ein Ruderboot, schoben es ins Wasser und ließen uns gegen das Schilf treiben. Hier, in der kleinen Bucht, lagen wir recht gut. Die Nacht war warm, und abgesehen von den Mücken, störte uns nichts. Wir rauchten Zigaretten, und die Prinzessin erzählte.
    »Es ging uns ja mal besser«, sagte sie. »Der Vater hat alles versoffen. Jetzt jagt uns die Behörde, weil wir so klein geworden sind. Man nennt uns eine Kulturschande. Obwohl wir eine große Hakenkreuzfahne haben, läßt man uns nicht in Ruhe. Na ja. Ich könnte ja was anderes finden, aber ich kann die Eltern nicht im Stich lassen.«
    Der Nachthimmel war hell, doch ihr Haar gab keinen Glanz. Als wir uns dann irgendwie auf den Planken ausbreiteten, glitzerte sekundenlang der Flimmer auf ihrem Schuh.
    »Ich bin natürlich nur Ersatz?« fragte sie. Sie meinte: für das, was die Mädchen mir nicht gewähren könnten. Als Landstraßenkatze fühlte sie sich in die Nöte der höheren Stubenkater erstaunlich gut ein.
    Und die Rollschuhbeine hatten etwas Verwirrendes. Die Prinzessin ließ im Programm keine Verzögerung eintreten. Trotz ihrer Verbitterung schmeckten ihre Küsse ziemlich süß.
    »Bin ich immer noch Ersatz?« fragte sie.
    »Nein«, sagte ich ehrlich.
    Aber sie hatte auch ein Herz. Ich hörte es klopfen. Und als es gerade dabei war, am heftigsten zu klopfen, kam etwas durch die Luft gesaust und zerknallte auf dem Bootsrand.
    Eine Bierflasche! Wir fuhren auseinander.
    Da kam die zweite Bierflasche. Die Scherben flogen hoch auf.
    »Mein Vater...!« hauchte die Prinzessin. »Wenn er mich erwischt...« Sie schüttelte die Scherben ab und sprang ins Schilf. Wie sie da hindurchkam, blieb mir ein Rätsel, jedenfalls sah ich sie noch einen Moment am Ufer — dann war sie weg.
    Ich brachte das Boot die zwei, drei Meter an den Strand und sprang ebenfalls hinaus. Der kalte Schreck verwandelte sich in hitzige Wut. Dieser zeitlose Direktor war wohl von allen guten Geistern verlassen? Gläserne Keulen aus dem Hinterhalt zu werfen!
    »Warte!« rief ich. Dem gehörte eins auf die Jacke! Ich lief die Böschung hinauf und versuchte, ihm den Weg abzuschneiden.
    Aha, da war der Wicht! Er rannte auf ein Kornfeld zu. Ich brach durch die Büsche und stellte mich ihm entgegen.
    »Halt!« brüllte ich.
    »Bibi, zu Hilfe!« schrie der Direktor. Es war Cotta.
    »Cotta!« keuchte ich.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind! Rühren Sie mich nicht an! Biiibi!«
    Bibi kam aus den Ähren. »Rühren Sie Cotta nicht an!«
    So lange Arme hatte ich nicht. Ich stand mindestens acht Meter entfernt. Bibi lief zu Cotta und zog sie noch weiter weg, als sei ich ein Unhold.
    »Wer hat die Bierflaschen geworfen?« fragte ich.
    »Das fragen Sie noch?« rief Bibi. »Jede von uns hat eine geworfen, wie sich’s gehörte.«
    »Wie sich’s...« Mir blieb die Luft weg. »Was für eine Roheit«, Sagte ich, »eine Roheit«, sagte ich, »eine Roheit...«
    »Roheit?« rief Cotta. »Wer ist roh, wer?«
    »Es ist verantwortungslos, mit Bierflaschen zu werfen.«
    »Bitte, wer ist verantwortungslos?« rief Cotta.
    »Liebe auf Rollschuhen!« höhnte Bibi. »So was nennt sich Dichter!«
    Die Auseinandersetzung wurde immer erregter.
    »Ein Schritt zurück zu dieser Person, und wir fahren auf der Stelle nach Hause«, rief Cotta.
    »Sie ist keine Person. Sie ist ein Mädchen wie ihr, genauso gut oder so schlecht!«
    »Bibi, ich kann das nicht hören«, sagte Cotta, mit dem Fuß stampfend. »Bitte, bring mich nach Hause.«
    Bibi legte den Arm um sie, als bräche Cotta zusammen. »Das haben Sie nun davon, Sie... Sie... gemeiner...«
    »Und ihr?« rief ich. »Ist es vielleicht fair, mir nachzuspionieren?«
    »Spannen Sie sich als neuer Jossopoff vor den Zirkuswagen«, rief Bibi.
    Wir gingen. Ich immer vor den beiden her. Da nun nichts mehr zu sagen war, stolperten wir wortlos durch die

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