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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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hätten.
    »Emma«, sagte Herr Pustekohl, »das ist so in den Kreisen. Die tun sich nichts. Der junge Mann ist kein anderes Holz, das hab’ ich gleich gesehen. Darauf kommt’s an. Sonst hätt’ ich sie ja nich auf den Kahn gelassen.«
    »Holz?« rief der Minister. »Süßholz, wie? Und... sowieso: Wenn die Röcke dran hängen, fällt der stärkste Baum um.«
    »Ich meine, alle sind vom selben Holz«, sagte Herr Pustekohl, eigensinnig an dem Vergleich aus seiner Branche festhaltend. »Ich meine, deshalb passen sie zusammen.«
    »Deshalb nicht«, sagte Percotta. »Vergleichen Sie das nicht mit Ihrer Bootsbauerei. So’n Boot kann nicht in die Wochen kommen.«
    Frau Pustekohl knickste geschämig, aber es gefiel ihr, daß ein Minister so sprach.
    »Na, denn prost! Wo kommt der Name Pustekohl eigentlich her?«
    »I, wenn die Pfaffen hätten schreiben gekonnt!« sagte Pustekohl pfiffig. »Früher hießen wir Potelkow, da wurde Postelkow draus — und dann schlankweg Pustekohl. Wer weiß, wie man in hundert Jahren heißt.«
    »Passen Sie auf«, sagte der Minister, »wenn unsereins aus der Gegend wäre, Ihre Kirchenbücher hätten uns noch zu Verwandten gemacht. Von Potelkow zu Percotta ist’s nicht weit. Das kann man mit einmal Eintauchen hinkriegen.«
    »Die Ehre!« blinzelte Herr Pustekohl. Er erzählte, sein Vorfahr habe sich stromauf mit den Wenden vermischt, in der Zeit, als man die Fische mit den Füßen tottreten konnte. So viele gab’s. Vor zweihundert Jahr’, als der Alte Fritz den Fluß noch nicht reguliert hatte.
    »Sommers war gar keine Oder da, die versickerte überall. Nur immer Pfützen. Und darin Milliarden Krebse. Steuern wurden in Krebsen bezahlt. Fünfunddreißig Millionen Schock in einem Jahr in Küstrin. Und wenn das Wasser in der Sonne beinahe kochte, wurde es den Krebsen zu heiß. Da gingen sie in die Wiesen wie Heuschrecken, die schattigen Bäume hoch. Man konnte sie ‘runterschütteln wie reife Pflaumen.«
    »Na, und dann kam der Alte Fritz und baute eine richtige Oder. Die Krebse wurden auf Normalmaß zurückgeschraubt, und die wendische Urbevölkerung wurde von Pfälzern, Schwaben und Niedersachsen friedlich aufgeheiratet.«
    »Das heißt: Deutsch ist die Saar«, sagte der Minister.
    »Deutsch immerdar«, sagte Herr Pustekohl. Trotzdem war noch ein bißchen Wendisches in ihm drin. So was Zähes, Genügsames, Hintergründiges.
    »Seien Sie froh«, sagte Herr Percotta, »Sie sind besser dran als unsereins. Ihr einziger Vorgesetzter ist die Oder. Und Sie brauchen Ihre Boote nicht plötzlich in Hakenkreuzform zu bauen. Ein Minister ist ein armes Schwein, gestern gemästet und heute geschlachtet.«
    Herr Pustekohl gab uns das Geleit. Frau Pustekohl rief am Zaun, sie werde Wäsche für die jungen Leute waschen, Wäsche, alles, was gewaschen werden müsse... »Wäsche...!« verklang ihr Schrei in der Nacht. Hinter uns wurde dann auch Pustekohls Pfeifenschmurgeln leiser.
    Der Minister hakte mich ein. Es war, als hätte einen eine alte Eiche eingehakt. Die Wurzeln wollten nur schwer durch den Sand.
    »Pustekohl ist die richtige Grundlage für die Schiffahrt«, sagte Herr Percotta. »Na, dann fahren Sie man getrost. Ich kenne das jetzt hier. Und wenn die Mädchen was brauchen, sollen sie zu der Frau gehen. Ich bin beruhigt.«

Abenteuer am Abendbrotberg

    Am nächsten Morgen stieg Herr Percotta hinter zwei Kiepenfrauchen in die Bahn. Er beugte sich aus demselben Abteil, in dem ich schon einmal mit Bibi und Cotta gesessen hatte.
    »Grüß Mutti!« sagte Cotta.
    »Und das kleine Rabenaas soll die Oder nicht aus ihrem Bette drängen«, sagte der Minister, indem er Cotta eine diplomatische Note überreichte. Es war ein Fünfzigmarkschein.
    Der Zug fuhr. Wir winkten. Und dann warfen Bibi und Cotta ihre Barbara- und Raffaelamasken ab — eine so blitzartige Schlangenhäutung hatte die Welt noch nicht gesehen.
    Vier Stunden nach Bahnhofszeit schwammen wir schon kurz vor Stettin.
    »Bibi, hast du Salz besorgt?« fragte Cotta.
    »Ja«, sagte Bibi fröhlich.
    »Wo ist es denn?«
    »Gleich links, auf dem Wandbrett.«
    Cotta suchte. Ich stand am Rand und blickte zum Flaggenknauf auf dem Bug. Unterm Kiel gurgelte Wasser. Wir fuhren.
    »Ich kann aber das Salz nicht finden«, sagte Cotta. »Wo hattest du es hingetan?«
    »Na, gleich links, wenn man ‘reinkommt.«
    »Ja, aber wooo denn da links?«
    »Im Hotelzimmer«, sagte Bibi.
    Es entspann sich eine wilde Jagd quer über das Boot. Die Fische mußten eine

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