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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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Und wie schnell! Zwei Dampfer sogar, Wange an Wange — nein, doch nur einer, aber mit einem Zwillingsschornstein, ein Mississippi-Modell. Schwarz war er, von der Esse bis zur Messe. Als Bugwelle ein Kannibalenlächeln. Er kam sehr rasch auf seinen Schaufelrädern gerollt. Hui, hui, weg da! Er war im Dienst, er brauchte nicht zu weichen.
    »Bibi...!« brüllte ich.
    Bibi lugte heraus, warf einen träumerischen Blick auf den Dampfer und lief zum Bug, um ihn abzufangen. Hier half nur noch Wegsehen.
    Aber was war das? Kein Krachen, kein Splittern? Das Ungeheuer bremste, es bremste, daß sich die Schaufelräder sträubten. Der Käpt’n hatte die Besatzung gesichtet, und wenn er eben noch bereit gewesen war, den Lausekahn in Grund und Boden zu rennen, so trat jetzt offenbar das internationale Abkommen zwischen Schifferei und Nixentum in Kraft.
    Es kam zu sanftester Berührung. Bibi und Cotta tätschelten die Bordwand, und die Schiffer droben schmunzelten, als spürten sie es auf dem eigenen Fell. Niemand schimpfte. Süße Fracht, was? Bären lieben Honig, Seebären, Oderbären erst recht.
    »Unser Motor springt nicht an«, rief Cotta.
    Da kam einer über die Strickleiter und kurbelte die Nixen an. Inzwischen bewegte sich der Dampfer auf der Stelle und verbrauchte Kohlen im Leerlauf, alles für die Katz, für die Katzen, für Bibi und Cotta. Die Oderlokomotive spielte Kavalier.
    Als der Motor wieder tuckerte, kletterte der Matrose die Strickleiter hinauf, drei Bierflaschen im Gürtel wie Patronen. Meine Bierflaschen! Mein Vorratsbier für heute und morgen.
    »Ich bin um Jahre gealtert«, erklärte Bibi später.
    »Ich auch«, behauptete Cotta.
    »Dann kann ich nur sagen, Alter schützt vor Torheit nicht«, sagte ich. »Mein Bier herzugeben! Was soll ich jetzt trinken?«
    »Als ob er nicht eben schon genug getrunken hätte!« rief Bibi.
    Mir tropfte der Fluß noch aus den Mundwinkeln. Ich mußte mich umziehen. Bibi und Cotta gingen zum Kaufmann und besorgten vergessenes Salz und verschenktes Bier.
    Als wir losfahren wollten, wollte der Motor nicht mit. Sosehr ich mich bemühte, er sprang nicht an. Auch als ich wütend wurde, bewahrte er die Ruhe.
    »Mal mit dem Hammer ‘raufschlagen«, rief Bibi. »Wir springen ins Wasser und schieben.«
    Schließlich bestand ich nur noch aus Hose und Schweiß.
    »Ach, Rexchen«, seufzte Bibi. »Ich seh’ schon: Ich muß an Land, einen richtigen Mann aufgabeln.« Cotta gabelte mit. Sie brachten einen gewissen Herrn Giesemann.
    Herr Giesemann warf einen Blick in den Motor und fragte, ob dem noch keiner gesagt habe, daß er eigentlich schon lange tot sei. »Der hat nur noch aus dem Grab getuckert.«
    »Kann er das nicht noch für eine Weile tun?« fragte Bibi.
    Herr Giesemann versuchte sich als Geisterbeschwörer. Und siehe da... Wir tuckerten bis zur nächsten Biege. Da blieb der Motor aber wieder weg. Fft...fft...fft... Aus war’s.
    Mit Not und Mühe ankerten wir am linken Schilf. Drei Seufzer.
    »Noch einmal Giesemann?« fragte Bibi.
    Cotta sagte: »Wenn er das Ding nur immer für zweihundert Meter beleben kann, können wir uns ausrechnen, wie oft wir ihn noch brauchen — bis Swinemünde.«
    »Wir müssen ihn anheuern«, meinte Bibi. Als Maschinist für die ganze Fahrt. Übrigens prima. Dann hätten wir jede einen Mann.«
    »Das denkst du dir, wie?« rief Cotta. »Nach dem Motto: Wenn einer von uns stirbt, zieh’ ich nach Dresden! Was?«
    Ich fühlte mich hochgeehrt. Doch davon wurde der Motor auch nicht wieder mobil. Ein Ziegenhirt steckte seine Nase neugierig durchs Schilf, und wir kriegten ihn gleich an dieser Nase. Er ging mitsamt seiner Ziege nach Niederzahden — denn so hieß der Ort — , um Herrn Giesemann zu holen. Wir warteten. Allmählich war es Zeit zum Abendbrot.
    »Bibi hat Küchendienst«, sagte Cotta. Wir hatten uns demnach auf einiges gefaßt zu machen. Bald lag auch der ganze Vorrat in der Kajüte herum, dazwischen die Schraubenschlüssel von der letzten Reparatur. Alle voller Wagenschmiere. Das gefiel Cotta nicht.
    »Wir picknicken an Land« entschied sie.
    Bibi holte das Fleisch aus dem Kühlschrank (eine Büchse an einer Schnur im Wasser). Knirschend brachen wir mit dem Beiboot durchs Schilf.
    Ein Pfad, eine Brennesselplantage — und dahinter der höchste Berg, den wir je an der Oder gesehen hatten. Nur etwa vier Treppen hoch und dennoch ein Montblanc. Wo kein Berg ist, triumphierte der Hügel.
    »Auf diesem Gletscher speisen wir«, rief Bibi. Sie nahm es genau

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