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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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gellende Ansprache über Bibis Unzuverlässigkeit schlucken. Mit einem Wort, wir waren sehr ausgelassen.
    Bibis Seele hatte Birkenzweigchen aufgesteckt. Es war kein Pulverdampf mehr in ihrem Blick. Hatte mich der Minister nicht vergattert? Er hatte einen Tabuabstand zwischen Cotta und mir geschaffen...
    An den Bootsfenstern zog Pommern vorbei. Wenn man im Gehäuse stand, war’s wie eine U-Bahn-Fahrt durch den glühenden Schacht des Sommers.
    Cotta wollte steuern. Bibi wollte auf dem Dachgarten Kaffee trinken. Wir hoben den Klapptisch und die Korbstühle hinauf. Das Aufstellen war Maßarbeit.
    Die Oder hat eine Vormittags- und eine Nachmittagsseite. Auf dieser, in gleißender Sonne, fuhren wir. Vom Vormittagsufer fielen Schatten aufs Wasser, aber sie erreichten uns nicht. Am Kaffeetisch vorbei sah man ins Schilf. Kniff man ein Auge zu, war’s merkwürdig, wie die Kanne über dem Ufer schwebte und wie sich der Greifenhagener Turm zwischen Bibis Tasse und Frau Pustekohls Napfkuchen schob.
    Eine Kuh hob grüßend den Kopf. Sonst hatten wir die Oder zum Kaffeetrinken ganz für uns allein.
    »Rex, da vorn geht’s nicht weiter!« rief Cotta. Mit klirrenden Tassen fuhren wir auf einen Hügel zu. »Da ist kein Fluß mehr«, meinte Bibi. Aber das Land schwenkte zur Seite, ein allmächtiger Schleusenwärter drehte die Ufer lautlos auseinander. Die Oder war wieder da.
    Dafür kam ein Dampfer von vorn. In Panik versuchten wir, das Geschirr und die Möbel gleichzeitig festzuhalten, doch es hatte gute Weile, der Dampferschornstein stand endlos da irgendwo im Raum. Er hatte schwer zu schleppen. Lastkahn an Lastkahn schälte sich aus den Wiesen.
    »Die verbauen uns ja das ganze Wasser!« rief Cotta. Das täuschte nur. Es hätten noch viele Pustekohl-Boote dazwischen gepaßt. Und Wellen machte der Dampfer auch nicht. Wer so viel schleppt, macht keine Wellen.
    »>Hannibal<«, las Bibi. »Wo mag der hinfahren?«
    »Hannibal? Natürlich nach Karthago.« Mit sieben Elefanten, : schwarz und lang. Auf dem dritten saß eine Frau und schuppte Fische. Auf dem vierten lief ein Spitz, rasend vor Zorn. Er wollte uns ins Boot beißen.
    Die Schiffer äugten auf unseren Kaffeetisch. Sie sahen den halben Napfkuchen, und Bibis lange Beine und die Tassen und mich (ich hatte die Offiziersmütze von Pustekohls Sohn, der als Steuermann über die sieben Weltmeere fuhr). Und wie die Schiffer so guckten, stummen Schifferblicks, das war ein ganzes Oderschifferkapitel.
    Schöningen, Schillersdorf, Staffelde, ein paar Dächer am Ufer, nie gehört und nie gekannt. Davor immer die schwarzen Fischerkähne und ausgespannte Netze, dann wieder Schilf — oder nur Wiesen ohne Schilf, kahlköpfiges Gestade. Riesig hingen weiße Wolken über dem Strom.
    Die Salzfrage wurde erörtert. Am linken Ufer sahen wir ein Bollwerk, daran eine Hausreihe unter alten Bäumen. Wir wollten anlegen, und ich nahm wieder das Rad. Im letzten Augenblick fiel uns ein, daß ja die Möbelausstellung noch auf dem Dache war. Na, ein Bums an den Kai, und das hätte was gegeben.
    Während Cotta und Bibi die Sachen verstauten, manövrierte ich flott ans Bollwerk, nahm den Bootshaken und lief zum Bug. Plötzlich lag ich als lebender Laufsteg zwischen Ufer und Boot.
    »Was machst du denn da?« rief Cotta.
    »Ich spiele Kaugummi«, sagte ich. Da war aber nichts mehr zum Spaßen. Ich wurde immer länger.
    »Warte, ich fahr etwas ‘ran«, erklärte Bibi. Sie stellte den Hebel aber auf »Rückwärts«. Ich fiel samt Bootshaken und Mütze ins Wasser. Im Strome fand ich mich senkrecht, der Wasserspiegel hob mir sanft die Mütze von Pustekohls Sohn vom Kopf. Als ich hochkam, brauste das Boot mit Bibi und Cotta wie ein U-Boot-Jäger an mir vorbei.
    Ich sah eine Treppe im Bollwerk und zog mich hoch. Kaum zu glauben, wieviel Wasser ich dabei verlor, allein aus den Hosentaschen. Schließlich stand ich mit meinem Enterhaken oben, Algen daran wie Lanzenfähnchen — ein Bote Neptuns.
    Bibi und Cotta fuhren wild im Kreise. Rauch wehte wie der Dampf der Skagerrakschlacht über den Fluß. Beide erschienen an Deck, um mir zu melden, daß der Hebel klemmte.
    »Auskuppeln! Mit dem Fuß dagegentreten!«
    Bums. Stille. Der Motor schwieg. Ein Tritt von Bibi hatte ihn getötet.
    »Kurbeln!« schrie ich.
    Nichts geschah. Zur Mitte trieb das Boot. Dort blieb es und drehte sich langsam im Kreise. Ich sah mich nach einem Kahn um, aber es war keiner in der Nähe. Dafür kam ein Dampfer.
    Himmel, und was für ein Dampfer!

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