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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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spätes Motorboot.
    »Heda!«
    »Ja?«
    »Sie ankern doch?«
    »Wir hoffen«, sagte ich. Ja, der Anker war noch dran.
    »Na, dann dürfen Sie doch die Seitenlichter nicht setzen.«
    Schade, es sah so festlich aus.
    Das Motorboot vertuckerte fern, nachdem es sich überzeugt hatte, daß dem Wasserstraßengesetz Genüge getan war. Da kam aber ein Fischer.
    »Sie ankern doch?«
    »Ja!«
    »Dann müssen Sie eine weiße Lampe setzen.«
    Bibi hängte die Petroleumlampe aus und rief: »Sonst noch jemand ohne Fahrschein?«
    Doch nun kam niemand mehr.
    »Ach, sooooo schön friedlich...«, seufzte Bibi.
    »Ja«, sagte Cotta. »Aber ob es unter Wasser auch so ist? Was tun da die Fische? Fressen sie einander auch in der Nacht?«
    Bibi sang. »Dort im Pommernland«, sang sie, »wo die Oder fließt... Cotta, hol deine Geige und spiel mit!«
    »Laß dich von Rex auf der Signaltute begleiten, das paßt besser«, sagte Cotta.
    »Aber es ist ein schönes Lied!«
    »Fla!«
    »Ein Volkslied!« rief Bibi.
    »Nicht für meine Ohren.«
    »Du bist wohl nicht Volk, wie?«
    »Doch. Deshalb brauch’ ich aber solche Jammerlieder nicht zu singen.«
    »Nur Bach, was?«
    »Bach ist auch Volk«, sagte Cotta, »aber nicht so was.«
    »Geh mir mit Bach auf dem Fluß«, rief Bibi. »Rex, wie findest du das Lied?«
    »Es paßt in die Gegend«, sagte ich.
    Cotta holte die Geige. Jetzt wollte Bibi aber nicht mehr, weil sie den Eindruck hatte, daß Cotta die Geige nicht ihretwegen brächte.
    »Zwei Frauen unter einem Dach«, murmelte ich, »das ist bei den Chinesen das Symbol des Unfriedens.«
    Cotta ließ den Fiedelbogen sinken.
    »Ach, tatsächlich? Als Symbol?«
    »Die sind aber schlau«, sagte Bibi. »Und was heißt Rex auf chinesisch?«
    »Den gibt’s nicht auf dem Jangtsekiang. Nur auf der Oder.«
    »Und hier gibt’s nur Frieden«, entschied Cotta. Also sangen wir weiter:

    »Und so will ich hoffen Jahr für Jahr,
    Von den Zeiten träumen,
    wo ich bei ihr war.«

    Bibi stieß mich an, obwohl der Verfasser doch nur die Oder gemeint hatte. Dann kam der Schluß, bei dem sich Cottas Saiten krümmten. So traurig. Die Fische fingen an zu weinen.

    »Noch in letzter Stunde
    Sollen zu dir ziehn
    Meine Sehnsuchtswünsche...
    Oderland... Stettin.«

    Die Oder floß ungerührt und bedankte sich mit murmelnder Zunge. Nichts gegen so ein Heimatlied. In schlimmen Zeiten steht es für ein ganzes Opus und mehr. Wie ich’s später in englischer Internierung erfuhr, als ich eines Abends still auf meiner Pritsche sang:

    »Dort im Pommernlande,
    Wo die Oder fließt...«

    und eine ätzende Rührungsträne in der Kehle hatte. Doch davon wußte ich noch nichts. Wir wußten nichts von kommender Katastrophe. Nicht mal von der, die nur ein paar hundert Meter weiter kommen sollte, in einigen Tagen, auf demselben Fluß.

    Anmerkung der Sekretärin: »...ätzende Rührungsträne in der Kehle...« Ich habe es so gelassen, obwohl es unmöglich ist. Gruß Luthcher.

Kein Kuß für Stettin

    Am anderen Morgen war’s aus mit der Gemütlichkeit. Dampfer »Sieg«, der auf einer ersten Tour den Fluß heraufkam, fand uns schon in voller Fahrt. Heute war Hafentag, wir wollten ja nach Stettin, und Bibi konnte es kaum erwarten.
    »Du hast wohl Sehnsucht nach Matrosen?« fragte Cotta.
    »Cotta...!« mahnte Bibi. »Ein Wort, und ich sage...«
    »Was denn?« Offenbar hatte Cotta ein gutes Gewissen oder ein schlechtes Gedächtnis.
    »...daß du zweimal in dem Zelt bei dem Offizier gewesen bist.«
    Das klang ja reichlich wild. Ich drehte mich nach Cotta um. Sie war blutrot. »Ach, ein Heilsarmee-Offizier, der in einem Zirkuszelt einen Vortrag hielt. Es ging mir um den Vortrag.«
    »Der Vortrag hatte nämlich graue Schläfen«, sagte Bibi.
    Die Sonne warf uns goldene Speere vor den Bug. Kurz vor seinem Ende gab sich der Fluß betont jugendlich. Alles noch grün in grün.
    »Eine Insel!« rief Bibi. Ein kleines Eiland — mit einer verwahrlosten Hütte darauf.
    »Wie heißt die Insel?« wollte Bibi wissen. »Wir geben ihr einen Namen. Rex, denk mal nach!«
    »Nennen wir sie nach einer von euch.«
    »Nach wem?« (Beide wie aus einem Mund.)
    »Nach einer von euch. Ihr müßt euch einigen.«
    Sie sahen sich an. Es war kein Einigungsblick.
    »Rex sollte entscheiden«, sagte Cotta siegesgewiß.
    »Ja, Rex entscheidet«, rief Bibi noch siegesgewisser.
    Um das Problem zu entschärfen, bezog ich mich ein. »Dreierlei kommt in Frage«, sagte ich. »Bibiwerder, Rexholm und Isola Cotta.«
    »Wir

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