Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
Vom Netzwerk:
starrte fassungslos. Bibi starrte zurück, mit gesträubten Wimpern. Ach so. Verschmäht! Ich hatte sie verschmäht! Und darauf stand der Tod. Das war klar. Und noch klarer war, daß Bibi im nächsten Moment ins Gras flog. Und daß... und daß...
    »Du Biest!« sagte ich. »Du Bi... Bi... Biest!«
    Ihre Wimpern schimmerten wie Bienenfell. Und die Augen so sanft. Der Nibelungenblick wich innigster Zärtlichkeit. Wie viele Götter wohnten in dem Mädchen? So viele wie in einer heiligen indischen Kuh!
    »Hexe! Du Hexe!«
    »Sprich in Küssen«, sagte Bibi.
    »Hexe in Küssen: Schon H ist Buchstabe 8 im Alphabet. Also acht Küsse. Es ist Buchstabe...« Wir zählten. »...ist Buchstabe 5. Fünf Küsse. X kommt erst sehr spät. Vierundzwanzig Küsse. E wieder fünf...«
    Die Wimpern zitterten. »Nun bin ich was mit hundertmal Z!« sagte Bibi. »Jeder Buchstabe sechsundzwanzig Küsse und jedes Wort mit acht Silben. Und nun sage, daß du nur mich liebst, mich, mich, und mich!«
    Schwachheit, dein Name ist Rex.
    Da wir aber nun schon mal auf der Walstatt lagen, veranstaltete Bibi ein großes Aufräumen. »Und daß du nie eine so geliebt hast wie mich!«
    »Nie.«
    »Und daß du nie eine so lieben wirst!«
    »Nie.«
    »Oh«, sagte Bibi. »Mein Herz geht kaputt.«
    »Und meins fliegt rund um den Hügel.«
    Sie setzte ihr Herz zusammen, ich fing meins ein, und wir legten beide aufeinander. Sie klopften sich an, sie lieferten sich ein immer heftigeres Trommelgebet. Und das Gras rings um uns her, das ging in die Binsen.
    Plötzlich, wie ein Ruf aus Vergangenheit und Zukunft zugleich, Cottas Stimme: »Rehex, Bibi!«
    Wir tauchten aus dem wonnigen Nebel. Fuhren hoch. Über meine Schulter schnurrte ein Bibizopf.
    »Sie ist noch hinter dem Flügel«, sagte Bibi hastig.
    Und der Kocher war umgestürzt, und die halbverkohlten Buletten lagen im Sand. Da nahm das Teufelsweib die Spiritusflasche und entfachte einen Hügelbrand.
    »Es brennt!« rief sie in geheuchelter Aufregung, so daß Cotta keine Zeit hatte, unsere Gesichter zu studieren.

    Auf der Höhe des Hügels, unter einer großen Eiche, tranken wir Tee. Über Tantow stand ein flammender Sonnenuntergang, als gelte es einer Sieben-Kathedralen-Stadt. Und zur anderen Seite sah man das Schilf und das Korn wie durch Kunckels Rubin.
    Friede ringsum. Aber in meinem Herzen war Schlachtenlärm. Es war nicht leicht, auf ein Mädchen wie Bibi gefallen zu sein. Ich fühlte mich noch wie gerupft.
    Cotta hatte nichts gemerkt. Sie hatte sogar ein Stück verkohlte Bulette gegessen, das Wahrzeichen unseres Verrats.
    Aber als Bibi das Geschirr wegbrachte, fragte sie: »Was hattest du denn mit ihr?«
    »Mit... wieso...?«
    »Man sieht ja Bibis sämtliche fünf Finger auf deinem Gesicht.«
    Ich tastete betroffen. Die Ohrfeige! »Ach, nur Spaß«, murmelte ich. »Balgerei.«
    »Wenn man euch mal allein läßt«, sagte Cotta. Sie lächelte arglos. Sie vertraute mir. Sie trug die Scheune von Herrn Priefert noch im Herzen.
    Wir saßen am Klapptisch und schrieben. Bibi schrieb Ansichtskarten immer schrapp, schrapp, weg damit. Es kam ihr nicht darauf an.
    Cotta schrieb Tagebuch, ganz gemessen, nicht schrapp, schrapp. Sie schrieben so verschieden. So verschieden, das war’s. Sie waren auch so verschieden in sich.
    Es gab eine Kriegs-Bibi und eine Balsam-Bibi. Und es gab zwei verschiedene Cottas. Man wußte nicht, welche von allen vieren die Süßeste war.
    Ich klopfte meine Pfeife aus und wollte Spazierengehen. Doch Bibi lähmte mich mit Blicken. Sie wünschte ein Gedicht. Ein Gedicht »über vorhin«. Ich mogelte in meinem »Sterbenden Cäsar« herum und schrieb auf einen Zettel:

    Hexe Bibi
    Bei Niederzahden am Hügel
    Briet Bibi Buletten im Tiegel.
    Erst waren’s nur drei.
    Dann , durch Hexerei,
    Waren’s vier.
    Wie das mir?
    Hexe Bibi spricht:
    »Merkst du es nicht?
    »fühlst du den Schmerz?
    Bulette vier — ist dein Herz.«

    Bibi erhaschte den Zettel in einem unbewachten Moment und schob ihn mir zensiert wieder hin: »Ungenügend«. Ich versuchte es noch einmal:

    Oh, Hexe, koche mich sauer
    Und koche mich süß, wenn du willst.
    Ich fühle nur liebliche Schauer,
    Auch wenn du mich grillst.

    Diesmal wurde der Zettel einbehalten. Er verschwand so schnell wie ein Brocken, den man einer Möwe hingeworfen hat...
    Die Frösche quakten, die Ankerkette klapperte. Es war dunkel. Wir lagen bäuchlings auf dem Bootsdach. An Stelle der Lampions brannten die Seitenlichter. Rot und grün. Da kam aber ein

Weitere Kostenlose Bücher