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Die Oder Ich

Titel: Die Oder Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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ober datt funktschoneert ok nich! {10} « Wahrscheinlich habe Rathjens seinen Zaun selbst flach gelegt, damit seine räudigen Mistviecher mal ordentliches Futter bekämen. Schlichtmann lachte bitter auf und fletschte seine Zähne, als habe er eine Trense dazwischen.
    »Dann ist doch alles in Ordnung«, freute sich Schlüter. Schlichtmann habe von Rathjens gelernt und wende dessen Methoden an. Denn sonst sei doch Rathjens derjenige gewesen, der die Tiere seiner Nachbarn eingefangen und zu Geiseln gemacht habe, um Forderungen nach Futtergeld durchzusetzen. Schlichtmann habe den Spieß umgedreht und schlage Rathjens mit den eigenen Waffen, wunderbar!
    »Eben nicht!«, schrie Schlichtmann und sein langes Gesicht wurde dunkelrot, die schneeweißen Augenbrauen zuckten und seine speichligen Reißzähne sprangen über die Lippen. Dieses marode Tier von Bullochse stehe in seinem Stall, fresse vergnügt Fünfsternefutter, wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben! Und Rathjens freue sich noch darüber! Der habe sich weder gemeldet noch das Tier als vermisst bekannt gegeben! Er schere sich nicht um sein weggesperrtes Tier! Mit so einer Strategie habe er, Schlichtmann, nicht gerechnet.
    »Ick hau emm dot, ick hau emm dot!«, ballte Schlichtmann die Fäuste.
    Nachdem Schlüter ihn mit der Motorsäge hatte hantieren sehen, zweifelte er nicht, dass dieser Rollstuhlfahrer zu allem imstande war. Der Hass hatte sein Hirn gefressen.
    Rathjens hatte sich viele Tode verdient durch seine Ränke und Sticheleien, mit denen er seine Nachbarn unbarmherzig quälte wie die Kirche die Bauern mit überhöhten Pachtpreisen. Rathjens war das, was für Christa Ackerwinde, Giersch, Quecke und Vogelmiere waren, man konnte reißen, graben, grubbern und harken und hacken so viel man wollte, es blieben immer genug Wurzeln im Boden, das Beet bald wieder zu überwuchern. Man hätte ihn längst rädern, vierteilen, pfählen, strecken, federn und teeren müssen, dachte Schlüter. Rathjens zog den Zorn aller Nachbarn auf sich, man mied ihn wie einen Aussätzigen und hielt ihn von der Treibjagd fern, aus Angst vor seinen Versicherungsfällen. Er nahm auch nicht an den winterlichen Einladungen teil, weil er nichts als gehässige Reden schwang und unmanierlich aß. Wenn er seine Kartoffeln mit der Gabel zerdrückte, fuhr sein Ellbogen auf und ab wie ein Pumpenschwengel, sodass jeder, der rechts neben ihm saß, Rippenstöße zu fürchten hatte. »Ick eet nich veel, ober gaut {11} «, quittierte Rathjens die entsetzten Blicke. Er schreckte nicht davor zurück, zähes Fleisch vor dem Mund mit dem mitgebrachten Taschenmesser abzusäbeln, und brachte es fertig, die Nachtischschüssel allein zu leeren. Man war nicht etepetete als Bauer, aber alles hatte seine Grenzen. Rathjens hatte sich selbst zum Paria gemacht.
    Das war nichts Neues.
    In den vergangenen zwanzig Jahren hatte Schlüter gegen Hans-Herrmann Rathjens reichlich zwei Dutzend Prozesse geführt, die meisten im Namen der Mutter, die schon lange Jahre unter der Erde lag. Sie hatte sich der kriegerischen Attacken ihres Sohnes erwehrt, der sie in einem Zimmer hausen ließ, in dem der Fußboden durchgebrochen war und die Schnecken aus dem Wasserloch darunter nachts bis aufs Bett krochen. Beim Ortstermin war dem Landwirtschaftsrichter übel geworden, bleich hatte er sich an der Türfüllung festgehalten, was Rathjens Gelegenheit gab, Schlüter flüsternd Prügel anzudrohen. Martha Rathjens, Gott sei bei ihr, hatte ihre letzte Zeit im Altenheim von Hollenfleth zubringen müssen, denn ihr Sohn hatte sie am Ende mit Gewalt vom Hof vertrieben, zehn verlorener Prozesse zum Trotz, indem er sie an den Füßen aus dem Haus geschleift und auf der Zufahrt liegen gelassen hatte.
    Einen oder zwei Prozesse hatte Schlüter auch für Schlichtmann gegen Rathjens geführt. Aber Prozesse brachten bei Rathjens nichts, man erwies ihm sogar eine Gunst damit, denn Rathjens prozessierte für sein Leben gern, er brauchte den Streit wie das Pferd den Hafer. Die pädagogische Wirkung eines verlorenen Prozesses versagte bei ihm, denn aufs Gewinnen kam es ihm gar nicht an, sondern darauf, zu Terminen nach Hemmstedt zu reisen, diverse Anwälte zu beschäftigen, jedem etwas anderes vorzulügen, mit anderen Worten: ein kunstvolles Intrigengespinst zu verfertigen. Die Prozesskosten zahlte er nie freiwillig, sondern ließ sich lieber das Milchgeld pfänden, weil er glaubte, seine Kontrahenten damit fuchsen zu können.
    Hauptberuflich war

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