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Die oder keine

Die oder keine

Titel: Die oder keine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miranda Lee
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Teller. Bisher hatte sie ihr Essen kaum angerührt.
    „Die Uhr hat sie mir auch geschenkt”, erklärte er sachlich. „Gleich morgen werde ich mir eine neue kaufen.”
    Heather sah wieder zu ihm auf. „Sie sagen das so ruhig.”
    „Diese Dinge bedeuten mir nichts mehr. Ich möchte durch nichts mehr an Alice erinnert werden”, fügte er in einem verräterischen Gefühlsausbruch hinzu.
    Sie lächelte bedauernd. „Sie lieben sie immer noch.”
    „Vielleicht. Aber sicher nicht für immer. Die Zeit heilt alle Wunden, Heather.”
    „Und das aus dem Mund eines Arztes, Jason! Es gibt Wunden, die nicht heilen.
    Manche entwickeln sich zu Geschwüren, bei manchen stirbt das Gewebe ab. Und Wundbrand kann tödlich sein.”
    Einen Moment lang he rrschte Schweigen. Er war entsetzt darüber, dass Heather so tief für diesen Widerling empfand. Wie musste sie ihn geliebt haben! War es vermessen, anzunehmen, dass sie je darüber hinwegkommen würde und er, Jason, mit ihr glücklich werden konnte? Machte er sich etwas vor?
    „Was wollen Sie damit machen?” erkundigte sie sich unvermittelt. „Mit dem Ring und der Uhr, meine ich.”
    „Ich werde sie einem meiner Brüder schicken, wahrscheinlich Jerry. Er wird sich darüber freuen.”
    „Einem Ihrer Brüder”, wiederholte sie langsam und schüttelte den Kopf. „Ich hatte ganz vergessen, dass Sie irgendwo eine Familie haben. Ich bin es gewohnt, allein zu sein, wissen Sie. Daher vergesse ich immer, dass andere Leute Eltern und Geschwister haben.”
    „Ich habe keine Eltern mehr. Meine Mutter ist tot, und wo mein Vater ist, weiß ich nicht. Er hat Mum im Jahr meiner Geburt verlassen. Aber ich habe fünf Brüder -
    James, Josh, Jake, Jude und Jerry. Sie sind alle älter als ich. Früher waren wir zu siebt, bis Jack bei einem Motorradunfall ums Leben kam. Wie Sie sehen, hatte Mum eine Vorliebe für Männernamen, die mit J beginnen.”
    Heather lächelte. „Und wo sind Ihre Brüder, und was machen sie?”
    „Sie sind über die ganze Welt verteilt. Seit Mums Tod haben wir kaum Kontakt zueinander. Das ist wohl typisch für Jungen. Aber Jerry, der vor mir geboren wurde, steht mir sehr nahe. Er ist nicht besonders clever. Er arbeitet in einer Textilfabrik in Sydney und verdient nicht besonders gut. Er ist ledig und wohnt in einer Pension. Ich schicke ihm manchmal Geld, Klamotten und andere Dinge.” Seit seiner Trennung von Alice hatte er Jerry allerdings nichts mehr geschickt, weil er so beschäftigt gewesen war. Das wollte er nun wieder gutmachen.
    „Ich hätte gern einen großen Bruder gehabt”, meinte Heather sehnsüchtig. „Aber ich bin ein Einzelkind, weil meine Eltern Karriere machen wollten. Tante Ivy war die Schwester meines Vaters.”
    „Ivy hat mir erzählt, dass Ihre Eltern bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen sind.”
    „Ja. Ein Vergnügungsflug. Ironisch, nicht?”
    „Tragisch.”
    „Wir haben Ferien in diesem Urlaubsort an der Goldküste ge macht. Ich war zehn. Ich wollte mit ihnen fliegen, aber ich hatte vorher zu viel ungesundes Zeug gegessen, und mir war schlecht. Deswegen haben sie mich nicht mitgenommen. Ich habe den Absturz mit eigenen Augen gesehen. Der Hubschrauber hat beim Start eine Baumspitze berührt und ist mit dem Vorderteil zuerst auf den Boden geprallt.”
    „Wie furchtbar!” bemerkte Jason mitfühlend.
    „Ja, das war es sicher. Aber ehrlich gesagt, hat es mich nicht so mitgenommen, wie es bei anderen Kindern vielleicht der Fall ge wesen wäre. Ich hatte nie das Gefühl, dass meine Eltern mich wirklich lieben. Ich war kein Wunschkind, vielmehr ein Unfall. Mum hat oft in meiner Gegenwart zu Dad gesagt, sie wären eigentlich zu alt für Kinder und sie hätte mich abtreiben lassen sollen.”
    Jason wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Von seinem Vater hatte er sich nie abgelehnt gefühlt, weil dieser nie da gewesen war. Es musste schrecklich sein, ständig zu hören, dass man unerwünscht sei. Er war zwar in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen, sich der Liebe seiner Mutter aber immer sicher gewesen.
    „Als Tante Ivy mich bei sich aufgenommen hat”, fuhr Heather fort, „habe ich jedenfalls erfahren, was es bedeutet, erwünscht zu sein und geliebt zu werden. Sie war so gut zu mir
    …”
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie blinzelte energisch und wischte sie mit ihrer Serviette ab. „Entschuldigung”, sagte sie leise und legte sich die Serviette wieder auf den Schoß. „Ich habe mir vorgenommen, heute Abend

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