Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Tausendmarkscheinen, untergebracht in zwei kleinen Koffern. Die Bündelung hat in straffer Form mittels Tesafilm einmal längs und quer in Bündeln zu je 1,5 Mil. DM zu erfolgen. Als Übergabeperson wird Richards Bruder August oder Christian bestimmt. Der Überbringer hat mit dem Geld am Freitag, den 17. 12. 76 um 11.00 Uhr an der Rezeption des Hotels Sheraton in München Bogenhausen zu warten. Die Bekanntgabe des Aufenthaltsortes erfolgt drei Stunden nach Übernahme und Prüfung des Geldes.«
Am Morgen des 15. Dezembers 1976 passierte das Unglück. Zlof öffnete das Tor der Garage. Beim Hochschieben streifte eine Querstange, die sich auf der Innenseite des Tores befand, einen Gumminippel auf dem Dach des VW-Transporters. Im Inneren des Fahrzeuges, in dem das Mikrofon hing, war ein lautes Geräusch zu hören. Dadurch wurde ein Stromschlag ausgelöst. Richard Oetker wurde mit 220 Volt gequält. Sein Körper schlug gegen die Wände der Holzkiste. Dabei entstand neuer Lärm, der zu weiteren Stromschlägen führte. In wenigen Sekunden erlitt Richard Oetker so schwere Verletzungen, dass sich sein gesamtes Leben ändern sollte. Gebrochen wurden beide Oberschenkelhalsknochen sowie der siebte und der achte Brustwirbel. Auch die so genannten Hüftköpfe wurden verletzt. Zudem war der Herzrhythmus nach den Stromschlägen gestört.
Zlof, der das Leiden seines Opfers mitbekommen hatte, riss den Stecker aus der Dose. Er setzte sich eine Maske auf, zog die Handschuhe an und öffnete die Holzkiste. »Wollt ihr mich umbringen?«, schrie Oetker. Zlof versuchte, den unter starken Schmerzen leidenden Mann zu beruhigen und fühlte dessen Puls. »Die Schweine haben den Strom nicht abgeschaltet«, sagte er. Dann sperrte er Oetker erneut ein und fuhr den VW-Bus wieder in seine Werkstatt. Über die Gegensprechanlage |270| wandte sich der Entführer mit der Frage an Oetker, ob er Hunger habe. Oetker bat um Milch und Semmeln. Er klagte über starke Schmerzen. Zlof erlaubte ihm, sich in der geöffneten Kiste aufzusetzen, und gab ihm Schaumstoffstücke zum Abpolstern. Später besorgte er Schmerztabletten.
Richard Oetker fragte seinen Bewacher, ob die für den übernächsten Tag geplante Geldübergabe nicht vorgezogen werden könnte. Die Schmerzen seien kaum auszuhalten. Zlof gab vor, dass er den Vorschlag mit den anderen Entführern besprechen müsste. Mittags rief er bei Marion Oetker an: »Richard geht es ein kleines bisschen schlechter, der hat versehentlich einen Stromschlag ausgelöst.« Der Entführer fragte, ob das Lösegeld bereits beschafft worden sei. Sie erklärte, es sei schwierig, gebrauchte Tausender in so großer Zahl zu beschaffen, aber der Großteil sei da. Die Übergabe könne am folgenden Tag stattfinden, versicherte sie.
Zlof kündigte einen weiteren Anruf in zwei Stunden an. Zwischenzeitlich musste Richard Oetker ein weiteres Tonband besprechen, das Zlof anschließend in der Stadt deponierte. Dann rief der Entführer wieder bei Marion Oetker an und beschrieb ihr das Versteck. Bald darauf hörte sie das Band ab, auf dem ihr Mann klagte: »Ich habe wahnsinnige Rückenschmerzen, auch im Beckenbereich tut alles weh.« Einen weiteren Anruf des Entführers erhielt die junge Frau gegen 23 Uhr. Dem Lösegeld sollte der Personalausweis und der Führerschein Richard Oetkers beigelegt werden, verlangte Zlof dieses Mal.
Am Morgen des 16. Dezembers gab Zlof, der als Bewacher stets eine Schweinchen-Dick-Maske trug, seinem schwer verletzten Opfer Cola und Traubenzucker. Oetker klagte darüber, dass er die Beine nicht mehr bewegen konnte. Sein Bewacher versprach, dass er bald frei sein werde und ärztlich versorgt werde. Richard Oetker, der eine Armbanduhr trug, merkte sich die Zeit, als »Checker« ihn verließ. Er prägte sich in den Tagen seiner Gefangenschaft eine Vielzahl von Einzelheiten ein, unter anderem auch den Preis, der auf ein Stück Schaumstoffmatte geschrieben worden war, das ihm sein Bewacher gegeben hatte.
|271| Richards älterer Bruder August, der der Geldüberbringer sein sollte, flog am Morgen desselben Tages mit einer Firmenmaschine von Bielefeld nach München. Die Maschine landete um halb elf. Am Flughafen München-Riem empfingen ihn Kriminalbeamte und statteten ihn mit einem Sender aus. In einem Taxi, das von einem Polizeibeamten gesteuert wurde, wurde August Oetker zur Landeszentralbank chauffiert. Dort händigte man ihm zwei Lederkoffer mit dem Lösegeld aus.
Anschließend ging die Fahrt zum Hotel Sheraton.
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