Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
August Oetker wartete an der Rezeption, so, wie es der Entführer in seinem ersten Brief vorgeschrieben hatte. Nach einer Weile kam ein Anruf für ihn. Zlof forderte den Unternehmersohn telefonisch auf, sich zur Rezeption des nahe gelegenen Arabella zu begeben. Das Telefon dieses Hotels wurde nicht von der Polizei überwacht, wie der Entführer annahm.
August Oetker ging hinüber und nahm wenige Minuten später den zweiten Anruf entgegen. Er erhielt die Order, zu einem weiteren Hotel zu fahren. Im Bayerischen Hof sei ein Zimmer für ihn reserviert. Dort werde er die nächste Nachricht finden. Als August Oetker in dem Hotel ankam, wurde er auf das Freundlichste begrüßt. Er war ein Mitglied einer bekannten Industriellenfamilie, die selbst Luxushotels besaß. Von der Entführung wusste noch niemand etwas.
Tatsächlich war auf den Namen Oetker eine Suite gebucht worden. August Oetker bekam den Schlüssel zum Zimmer mit der Nummer 35 und ging hinauf. Irritiert sah er ein Schild an der Klinke: »Bitte nicht stören«. Oetker trat dennoch ein. Die Suite war nach der Abreise der letzten Gäste nicht gemacht worden. Ein Versehen des Zimmermädchens, wie sich später herausstellen sollte. August Oetker durchsuchte die Räume, aber er fand keine Nachricht. Er wurde nervös. Er fragte telefonisch beim Empfang nach, ob etwas für ihn abgegeben worden sei. Tatsächlich fand sich ein Briefumschlag. Man hatte schlicht vergessen, ihn dem Gast bei seiner Ankunft auszuhändigen, weil im Hotel gerade ein Empfang des bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel stattfand.
Ein Page brachte den Umschlag hinauf. August Oetker las den Brief. |272| »Bezahlen Sie das Zimmer!«, lautete die erste Anweisung. Anschließend sollte er mit einem Taxi zum Hauptbahnhof fahren und zu den Schließfächern gegenüber dem Gleis 26 gehen. »Gehen Sie zu dem Fach, zu dem der beiliegende Schlüssel passt.« Darin fände er weitere Anweisungen. August Oetker beglich die Hotelrechnung und ließ sich von dem Polizeibeamten im Taxi zum Hauptbahnhof fahren. Er war nervös, aber die Anwesenheit eines erfahrenen Polizisten beruhigte ihn. »Wir waren ein Team«, erinnerte er sich später an die »Schnitzeljagd«.
In dem Schließfach fand August Oetker einen Blechkoffer und einen Brief. In dem Schreiben wurde er angewiesen, mit den Geldkoffern und dem leeren Koffer aus dem Schließfach zu den Toiletten am Gleis 1 zu gehen. Von einer Toilettenfrau solle er sich einen Waschraum aufschließen lassen und das Geld umpacken. Sogar wie die Bündel in dem Koffer zu platzieren waren, hatte der Täter in einer Skizze dargestellt. Wenn er das Geld umgepackt habe, solle Oetker mit einem Taxi zum Karlstor fahren und in das Stachuszentrum hinuntergehen. In der Ladenpassage finde er eine Apotheke. Unter deren Reklameschild (»mit dem roten A«) solle sich Oetker postieren: »Stellen Sie den Koffer rechts neben sich vor die graue Eisentür.« Oetker müsse Geduld haben. »Sie bekommen neue Order, sobald sicher ist, dass Ihnen niemand gefolgt ist.«
Nachdem er die neuen Anweisungen gelesen hatte, eilte August Oetker zum Taxi zurück. Das Lösegeld war in zwei Koffern verstaut, nun hatte er noch einen dritten bekommen. Oetker besorgte sich einen Kofferkuli. Das nächste Problem: Am Gleis 1 gab es keine Waschräume. Oetker erkundigte sich bei Bahnbeamten und erfuhr: Die Waschräume waren am Gleis 11. Dort gab es auch eine Schelle, um eine Toilettenfrau zu rufen, die aufschließen konnte.
Oetker läutete mehrfach, aber niemand kam. Der 32-Jährige stand unter einem gewaltigen Stress. Er sorgte sich um das Leben seines Bruders. In ihrem ersten Brief hatten die Entführer angekündigt, dass Richard Oetker durch eine Zeitschaltung um 17 Uhr mit Starkstrom getötet werden würde. Kurz entschlossen ging Oetker in eine normale Toilette. Dort packte er das Geld um, wobei er ziemliche Schwierigkeiten |273| hatte, es in dem Metallkoffer unterzubringen. Dann eilte er mit dem Gepäckstück, das knapp 40 Kilo schwer war, zurück zum Taxi und nannte dem Fahrer das Ziel Karlstor. Dort angekommen, lief er in die unterirdische Ladenpassage, fand die Apotheke und stellte sich, wie verlangt, unter das Schild. Den Koffer stellte er zwischen die Beine.
August Oetker musterte die Passanten und wartete eine ganze Weile. Es war mittlerweile halb zwei Uhr geworden. Nichts geschah. Nach einigen Minuten bemerkte Oetker, wie sich die Eisentür seitlich hinter ihm öffnete. Eine Hand griff nach dem
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