Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Koffer. Oetker drehte sich um. »Nicht herschauen«, befahl Zlof, riss den Koffer an sich und schloss blitzschnell die Tür. Oetker hatte einen geduckten Mann mit Brille und einem über die Mundwinkel hinunterhängenden Schnauzbart wahrgenommen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis in Zivil gekleidete Polizeibeamte bei August Oetker waren. Die Zeit hatte ausgereicht, um Einsatzkräfte zum Stachus zu beordern. Aber die Fahnder konnten die Eisentür nicht öffnen. Wütend schlugen sie dagegen.
Zlof hatte die Übergabe des Lösegeldes sorgfältig geplant. Er hatte über Monate nach einem Ort Ausschau gehalten, an dem er die Beute an sich bringen könnte, ohne geschnappt zu werden. Der überaus selbstbewusste Zlof hielt sich für fähig, ein perfektes Verbrechen auszuführen. Er hatte das Stachus-Untergeschoss genau erkundet. Dort befand sich die größte unterirdische Ladenstadt Europas. In dem Bauwerk gab es Haltestellen, Ladenpassagen und Parkdecks sowie eine Vielzahl von Treppen und Versorgungsgängen. Bei einer seiner Touren hatte Zlof die Eisentür an der Apotheke entdeckt, die von Passanten in der Ladenpassage nicht geöffnet werden konnte. Diese Tür, so hatte er herausgefunden, war das Ende eines Ganges, der zu einer Treppe führte, über die man in einen weiteren mit Feuertüren versehenen Fluchtweg kam. Am anderen Ende war ein Ladehof. Er wurde als Parkplatz von den Lieferanten genutzt, die die Geschäfte in den Passagen belieferten.
Auf diesem Weg entkam Zlof am Mittag des 16. Dezembers 1976. Auf dem Weg zurück zu seiner Werkstatt rief er von einer Telefonzelle Marion Oetker an und sagte: »Vielen Dank für alles, wir lassen jetzt |274| Richard dann frei.« Er beorderte die junge Frau in ein Hotel nach Germering, wo sie später den Ort der Aussetzung erfahren sollte.
Richard Oetker hatte Stunden in der Kiste ausharren müssen, bis »Checker« gegen 16 Uhr wieder bei ihm war. Oetker hatte Schmerztabletten genommen, aber er litt dennoch sehr. Über die Gegensprechanlage forderte Zlof ihn auf, sich die Kapuze über den Kopf zu ziehen und aus der Kiste zu steigen, deren Deckel er geöffnet hatte. Als der Schwerverletzte das nicht schaffte, brach sein Bewacher mit einem Eisen die Seitenwand der Kiste aus. Oetker wurde aber angewiesen, in der Kiste liegen zu bleiben. Am Nachmittag, gegen fünf Uhr, fuhr der Entführer mit seinem Opfer los.
Oetker registrierte, dass die Fahrt etwa eine Stunde dauerte. Dann kam der Wagen zum Stehen und die Türen des Transporters wurden geöffnet. Oetker sollte aussteigen. Aber er konnte sich nicht bewegen. Sein Bewacher täuschte Gespräche mit Komplizen vor. Dann schleppte der Entführer Oetker aus dem VW-Transporter zu einem weiteren Auto, dessen Motor bereits lief. Richard Oetker, der furchtbare Schmerzen hatte, glaubte dabei, ein mitleidiges Schluchzen »Checkers« zu hören. Dann wurde er auf den Beifahrersitz gesetzt, dessen Rückenlehne anschließend heruntergekurbelt wurde. Von hinten wurde er anschließend in den Wagen gezogen.
Richard Oetker erhielt von seinem Bewacher die Anweisung, bis 100 zu zählen, bevor er die Kapuze abnahm. Er tat, wie ihm geheißen. Noch während er zählte, öffnete sich die Autotür wieder. Ein furchtbarer Moment für das Opfer. Oetker fürchtete, dass er nun doch noch erschossen würde. Aber die Tür fiel wieder ins Schloss. Nach einer Weile nahm Oetker die Kapuze ab und sah auf seine Uhr. Es war 18.35 Uhr. Knapp 48 Stunden war er in der Gewalt der Entführer gewesen. Trotz seiner gebrochenen Beine gelang es ihm, sich aufzusetzen. Die Hupe des Autos funktionierte nicht, aber er konnte die Scheinwerfer einschalten. Er versuchte, auf den Fahrersitz zu gelangen. Vergeblich. Zum Glück war der Wagen wenigstens warm. Richard Oetker war völlig hilflos.
Zu dieser Zeit hatte Marion Oetker an der Rezeption des kleinen |275| Hotels bereits einen Anruf bekommen. Zu ihrer großen Erleichterung erfuhr sie, dass ihr Mann freigelassen worden sei. Sie notierte sich, wo er zu finden war. Die Polizei war bei ihr, aber Marion Oetker wollte nur mit einer Ärztin und dem Freund losfahren. Tatsächlich waren die Polizeibeamten dann aber fünf Minuten früher auf dem Waldweg im Kreuzlinger Forst, auf dem ein brauner Opel Commodore stand. Darin fanden sie Richard Oetker.
276
290
276
290
true
|276|
20. »Man kann sich als Opfer nicht
menschlicher verhalten …«
Der Prozess um die Entführung
N och bevor ein Notarzt zur Stelle war, zeigten die Beamten
Weitere Kostenlose Bücher