Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Seitentüren des Transporters und dann der Deckel der Kiste geöffnet wurden. Oetker nahm Schritte wahr und unterschiedliche Stimmen. Einer seiner Füße wurde mit einer Handschelle ans untere Ende der Kiste gefesselt.
Nachdem der Deckel wieder geschlossen worden war, ertönte die bekannte Stimme wieder über die Gegensprechanlage. Sein Bewacher stellte sich ihm als drogenabhängiger Psychologiestudent vor, den man gezwungen habe, bei der Entführung mitzumachen. Oetker fasste etwas Vertrauen. Er versuchte, die Initiative an sich zu ziehen und fragte, ob man sich nicht duzen könne. Oetker wusste, dass es in einer Situation wie dieser darauf ankam, einen persönlichen Kontakt zu den Tätern aufzubauen. »Dann willst du wahrscheinlich meinen Namen wissen, gell?«, mokierte sich sein Bewacher. Richard Oetker lachte. Als ihm die Stimme vorschlug, er solle sich einen Namen ausdenken, sagte der in der Kiste Eingesperrte: »Dann werde ich dich Checker nennen.« Das sei der Spitzname eines guten Freundes.
Der Bewacher schaltete einen Staubsauger ein, der die verbrauchte Luft aus der verschlossenen Kiste absaugte. Er setzte auch ein kleines Heizgerät in Betrieb, das sich im Wagen befand. Richard Oetker fragte, wie viel Lösegeld die Täter erpressen wollten. Er erhielt die Auskunft, dass wohl 21 Millionen Mark verlangt werden sollten. »So viel?«, entgegnete das Opfer: »Na, ich glaube nicht, dass mein Vater für mich so viel Geld ausgeben wird.« Der Bewacher fragte, an wen die Entführer ihre Forderungen richten sollten: an Oetkers Freundin in Freising oder den Vater in Bielefeld. Die »Freundin« sei seine Ehefrau Marion, korrigierte Oetker und bat, sie aus der Sache herauszuhalten. Sie habe keinen Führerschein. Dann nannte er dem Bewacher die private Telefonnummer seines Vaters.
Beim Oetker-Prozess in München betrachtete der Angeklagte Zlof den
Nachbau der Kiste, in der Richard Oetker gefangen gehalten worden war.
|266| Der Mann, der Richard Oetker am 14. Dezember 1976 in seine Gewalt gebracht hatte, hieß Dieter Zlof. Er war 34 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Söhne. Als er beschlossen hatte, einen Menschen zu entführen, verdiente Zlof sein Geld mit einer kleinen Autowerkstatt in München-Pasing. Hinter ihm lag ein bewegtes Leben. Zlof war 1942 in Slowenien geboren worden, von wo seine Eltern stammten, und in München aufgewachsen. Sein Vater, der in Slowenien Dorfpolizist gewesen war, hatte nach dem Krieg als Büromaschinenmechaniker gearbeitet. Dieter Zlof hatte eine schwere Kindheit hinter sich, was damit zusammenhing, dass der ohnehin gewalttätige Vater den Verdacht hatte, dass der Junge nicht sein leiblicher Sohn wäre.
Mit 17 Jahren war Dieter Zlof aus der Wohnung der Eltern ausgezogen und hatte eine kaufmännische Lehre in einem Bauunternehmen gemacht. Anschließend hatte er in München ein dreijähriges Wirtschaftsstudium absolviert und nebenher gejobbt, um Geld zu verdienen. Seine Frau hatte er 1966 kennen gelernt. Mit ihr unternahm der auch als Tauchlehrer ausgebildete Zlof große Reisen, doch 1970 war das Paar nach München zurückgekehrt und hatte zwei Jahre später geheiratet. Zlof hatte angefangen, mit Autos zu handeln und sie zu reparieren. Sie hatte in einer Reinigungsfirma eine Stelle gefunden.
Nachdem Zlof 1976 den Plan gefasst hatte, einen Menschen zu entführen, um Lösegeld zu erpressen, war er zum eifrigen Leser von Illustrierten geworden. In einem Magazin hatte er einen Artikel über den Konzernherrn Rudolf-August Oetker gelesen, in dem auch erwähnt wurde, dass Oetkers Sohn Richard in Weihenstephan Landwirtschaft und Brauereiwesen studierte. Bei der Auswahl seines Entführungsopfers hatte sich Zlof bewusst für einen jungen Mann entschieden. Ihm war von vorneherein klar gewesen, dass er seinem Opfer schwere Strapazen zumuten würde. Keinesfalls wollte Zlof einen Menschen, bei dem zu befürchten war, dass er einen Herzinfarkt erleiden könnte. Zlof hatte sich über die Telefonauskunft Richard Oetkers Adresse besorgt und sich vor dem Mietshaus in der Egilbertstraße in Freising auf die Lauer gelegt, bis er den Studenten zum ersten Mal sah. Von nun an hatte er ihn immer wieder verfolgt. Zlof hatte den Studenten mit |267| einer jungen Frau beobachtet, beim Einkaufen und beim Spazierengehen mit seinen beiden Hunden.
In seiner Werkstatt erklärte Zlof dem in der Kiste gefangenen Oetker über die Gegensprechanlage, dass die Handschelle an seinem Fußgelenk über einen Draht mit dem
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