Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Stromnetz verbunden sei. Wenn er schreie oder sich zu befreien suchte, würde über ein weiteres Mikrofon an der Decke des Fahrzeugs ein elektrischer Schlag ausgelöst. Oetker fragte, ob das denn wirklich sein müsse. Zlof erklärte ihm, »der Boss« bestünde darauf. Tatsächlich hatte der technisch begabte Zlof selbst eine solch teuflische Anlage konstruiert.
Bevor der Entführer sein Opfer verließ, gab er ihm noch eine Zeitschrift zu lesen. In der Kiste war eine kleine Lampe angebracht. Dieter Zlof bestellte sich ein Taxi und ließ sich in der Nähe der Stelle absetzen, wo er eines von mehreren Autos geparkt hatte, die er bei der Entführung und Erpressung benutzte. In einer Telefonzelle wählte der Entführer Rudolf-August Oetkers Privatnummer in Bielefeld. Aber der Anschluss war besetzt. Zlof wartete und versuchte es erneut. Vergeblich.
Weil Richard Oetker nach seiner Vorlesung an der Universität nicht wie erwartet nach Hause gekommen war, rief Marion Oetker nach einigem Warten einen Freund an. Der junge Mann eilte gegen 22 Uhr in die Wohnung der Oetkers. Von dort aus telefonierte er mit der Polizei und fragte, ob es einen Unfall mit einem weißen VW Variant gegeben hatte. Dann bat er den Beamten auf der Wache, die Kripo davon zu verständigen, dass Richard Oetker vermisst werde. Der Polizist versprach, die Anzeige weiterzuleiten, und kündigte einen baldigen Rückruf der Kripo an.
Aber als das Telefon um 22.15 Uhr in der Wohnung der jungen Oetkers klingelte, war am anderen Ende der Leitung der Entführer. Da Zlof nicht nach Bielefeld durchgekommen war, hatte er Marion Oetkers Nummer gewählt. Er sagte der jungen Frau, dass Richard Oetker entführt worden sei, und verbot ihr, die Polizei einzuschalten. Als Marion Oetker in Tränen ausbrach, hängte Zlof ein. Er fuhr zu einer anderen Telefonzelle und rief erneut an, um eine baldige Lösegeldforderung anzukündigen |268| . Ängstlich versicherte Marion Oetker, alles zu tun, was verlangt würde.
Kurz darauf meldete sich bei ihr die Polizei wegen der Vermisstenmeldung. Das habe sich erledigt, sagte die junge Frau, da sie ihren Mann nicht gefährden wollte. Sie versuchte, ihren Schwiegervater in Bielefeld zu erreichen. Vergeblich. Sie wählte die Nummer von Richards Mutter, Rudolf-August Oetkers geschiedener Ehefrau in Düsseldorf, die inzwischen Salm-Horstmar hieß. Ihr berichtete Marion Oetker, was passiert war. Später gelang es der jungen Frau auch noch, einen von Oetkers Generalbevollmächtigten in Bielefeld zu informieren. Der Manager schaltete die Bielefelder Kriminalpolizei ein, die anschließend die Behörden in München informierte.
Zlof fuhr nach seinen Anrufen zurück zu der Werkstatt, in der Oetker gefangen gehalten wurde. Über die Gegensprechanlage wandte er sich an sein Opfer in der Holzkiste. Oetker sollte ein Tonband besprechen. Was er sagen sollte, gab Zlof ihm vor: Es sei kalt, er habe nichts zu essen, seine Entführer seien brutale Leute. Über eine Zeitschaltung sei er an das Stromnetz angeschlossen. Der Text war darauf ausgerichtet, die ohnehin in großer Sorge befindliche Familie Oetker zu schockieren und zu ängstigen. Zu seinem Opfer sagte Zlof: »Je mehr Angst sie um dich haben, umso eher holen sie dich raus.«
Eine Stunde später, nachts gegen eins, bemerkte Richard Oetker, wie der Motor des VW-Busses gestartet wurde. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Die Fahrt dauerte nur etwa 20 Minuten. Kurz nachdem sie zu Ende war, wurden wieder die Seitentüren des Laderaumes und der Deckel der Kiste geöffnet. Oetker, der sich wieder eine Kapuze hatte überziehen müssen, bekam Schokolade und Cola sowie eine Plastikflasche für seine Notdurft.
Um 2.20 Uhr erhielt Marion Oetker einen weiteren Anruf des Entführers. Zlof teilte ihr mit, dass ein Brief hinter einem Streukasten in der Jungfernturmstraße in München deponiert sei. Der Freund des Ehepaares chauffierte Marion Oetker dorthin und anschließend in seine eigene Wohnung. Dort las Marion Oetker den Brief, und die beiden hörten das Tonband ab.
|269| Inmitten weiterer Drohungen und Bedingungen stand in dem Schreiben: »Richard Oetker ist an seinem Aufenthaltsort über eine Zeitschaltung, die für kommenden Freitag, 17. 12., 17.00 Uhr, aktiviert ist, an das Kraftstromnetz angeschlossen. Bei nicht rechtzeitiger Befreiung tritt zum genannten Zeitpunkt innerhalb von Sekunden der Tod ein. Die Auslösesumme beträgt 21 000 000,– DM (einundzwanzig Millionen) in gebrauchten, nicht notierten
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