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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Regiment und war kein Freund der gewerkschaftlich
organisierten Arbeiter.
    |36| Oetker und sein Direktor weigerten sich zwar, mit den Führern des Christlichen Textilarbeiterverbandes zu verhandeln, sie sprachen aber mit dem betriebseigenen Arbeiterausschuss. Sie erklärten sich sogar bereit, diese Vertretung anzuerkennen und künftig alle Vorschläge und Klagen in regelmäßigen gemeinsamen Sitzungen entgegenzunehmen. Schließlich wurden die Löhne doch angehoben, wenn auch nur in einer Weise, wie sie die Firma laut Bericht des Bürgermeisters »auch schon vor der Bewegung ihrer Arbeiter in Aussicht genommen hatte«. Im August 1905 endete der Streik nach mehr als 14 Wochen. In einem Bericht für den Landrat zog der Schiefbahner Bürgermeister Bilanz: »Der Ausstand hat einen Lohnausfall von wohl mehr als 100000 Mark zur Folge gehabt und dem gewerblichen Leben in der Gemeinde schwere Wunden geschlagen, die sobald nicht verheilt sein werden.«
    Albert Oetkers Geschäfte liefen ansonsten aber gut. Die Nachfrage nach seinen Kleider- und Krawattenstoffen wuchs beständig. Eine viel gefragte Spezialität der Weberei war der schwarze Krawattenstoff Turquoise. Nachdem Oetker sich entschlossen hatte, die Kapazitäten zu vergrößern, gelang es ihm 1906, eine Seidenweberei in Gräfrath bei Solingen zu kaufen. Eine weitere Fabrik übernahm er in Walbeck. Und 1908 und 1909 baute er kleinere Werke in Wachtendonk und Herongen.
    |37| Mit der Expansion hatte er sich offenbar zu viel zugemutet. Am Morgen des 8. August 1909 starb Albert Oetker im Alter von 69 Jahren nach einem Herzschlag. Bei einer Andacht in dessen Haus rühmte der evangelische Pfarrer den Verstorbenen als fürsorglichen Familien und Firmenvater: »Und wenn ich weiter dessen gedenke, was seine Persönlichkeit für das kommunale Leben in Schiefbahn bedeutet, wie der unverkennbare wirtschaftliche Aufschwung der letzten 15 Jahre auf seine Tüchtigkeit, seine soziale Fürsorge und sein tätiges Interesse an allen gemeinnützigen und edlen Bestrebungen sehr wesentlich zurückzuführen ist, so will die Lücke, die sein Tod gelassen, immer größer und unerfüllbarer erscheinen.«
    Albert Oetker wurde in Krefeld beerdigt, aber auch die Gemeinde Schiefbahn bereitete ihm einen großen Abschied. Erst sang der Kirchenchor in der Villa »Niederheide«, dann trugen die Obermeister der Fabrik den Sarg zu einem Wagen. Sämtliche Vereine waren mit Fahnen aufmarschiert, und im Park und auf den Straßen standen die Bürger und Schulkinder Spalier.
    Der Verstorbene hinterließ ein Unternehmen, das aus sechs Fabriken bestand, in denen mehr als 2000 Arbeiter beschäftigt waren. Das Schicksal der Firma lag nun in den Händen der Witwe Milly Oetker und ihrer beiden Söhne, des 33-jährigen Rudolf Oetker und seines zwei Jahre jüngeren Bruders Paul.

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3. »Benutze jede Gelegenheit, um etwas zu lernen«
August Oetker und der Onkel aus Amerika
    W ährend Louis C. und Albert Ferdinand Oetker es in ihren Unternehmen zu enormem Erfolg und Reichtum gebracht hatten, dauerte es in der Familie ihres ältesten Bruders August Adolph eine Generation länger, bis der Schritt hin zum Fabrikanten gemacht war. Erst dessen Sohn August Oetker sollte sich mit seinen beiden Onkeln in Tatkraft und unternehmerischem Ehrgeiz messen können.
    Dieser August Oetker wurde am 6. Januar 1862 als das älteste von zehn Geschwistern in der niedersächsischen Ortschaft Obernkirchen geboren. Sein Vater August Adolph Oetker war ein eher derber, jovialer Mann, der nach oben geheiratet hatte. Die Mutter Bertha war immerhin die Tochter eines Rechtsanwalts in Kassel. August Adolph Oetker selbst war Bäckermeister und buk das Brot für die Arbeiter, die in den Glasmanufakturen, Steinbrüchen und Kohlegruben von Obernkirchen schufteten. Damit hatten es die Oetkers zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht und konnten sogar Dienstboten beschäftigen. Am Rathausplatz bewohnten sie ein ansehnliches Fachwerkhaus. Obschon es ihnen also nicht an Geld fehlte, starben drei der neun Geschwister von August Oetker früh an Krankheiten.
    Warum Bertha Oetker drei ihrer zehn Kinder verlor, ist nicht überliefert. Wollte sie die Säuglinge nicht stillen, wie so viele Frauen damals? Das war nach heutiger Erkenntnis der Hauptgrund, warum zu dieser Zeit von 1000 Säuglingen in manchen Landstrichen Deutschlands bis zu 260 schon im ersten Lebensjahr starben. Oft waren es gerade die Frauen in der bäuerlichen Oberschicht, die

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