Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
er 1837 als das älteste von sieben Kindern |41| geboren worden war. Sein Vater Carl Dohme war dort Steinhauer gewesen. Er hatte einen eigenen Steinbruch besessen, in dem er einen braunen Sandstein abgebaut hatte. Dieses ansehnliche Material war bis in die USA geliefert worden. In Baltimore im US-Bundesstaat Maryland waren damit eine Kirche, ein Zollgebäude und zwei Banken verkleidet und verziert worden.
Als der Steinbruch in Obernkirchen keinen Sandstein mehr hergab, hatte sich Carl Dohme entschlossen, ein neues Leben zu beginnen und mit seiner Familie in die USA auszuwandern. Louis Dohme war 15 Jahre alt gewesen, als er 1852 mit seiner Familie in Bremen ein Passagierschiff bestiegen hatte, um Wochen später in Baltimore von Bord zu gehen.
Die Dohmes waren Teil einer der vielen Wellen deutscher Auswanderer, die damals in Amerika ihr Glück suchten. Deutschland war ja noch ein Land, das seine Bewohner nicht ernähren konnte. Zwischen 1850 und 1870 waren rund zwei Millionen Menschen in die USA ausgewandert: Bauernsöhne ohne eigenen Grund, Handwerker und Kaufleute, alle hatten sich in Übersee eine bessere Zukunft erhofft und sich eine Schiffspassage gekauft. Es war die Zeit, als die Vereinigten Staaten ständig gleichermaßen an Menschen und an Raum wuchsen, als weiße Siedler von Osten nach Westen vordrangen und blutige Schlachten zur Vertreibung der Indianer geschlagen wurden. Von Baltimore ausgehend, war 1827 die erste Eisenbahn in Richtung Westen gebaut worden. Für viele Menschen war die Stadt daher eine Durchgangsstation. Nicht so für die Dohmes. Sie waren nach ihrer Ankunft an der Ostküste sesshaft und Bürger des Staates Maryland geworden.
Der Steinhauer Dohme hatte in Baltimore ein Lebensmittelgeschäft eröffnet. Sein ältester Sohn Louis aber hatte den Apothekerberuf gelernt – so wie es ihm August Oetker 25 Jahre später in Deutschland nachmachen sollte.
Aber Dohme hatte nicht lange als Apotheker gearbeitet. Sein Lehrmeister Alpheus Phineas Sharp hatte schnell erkannt, dass Dohme ein junger Mann von beachtlicher Intelligenz war, und hatte ihn gefördert. So hatte Dohme im Anschluss an seine Gehilfenprüfung die pharmazeutische |42| Hochschule in Baltimore besucht. Als er fertig war, hatte er zunächst eine Stelle bei einem Apotheker in Washington, D. C. angetreten. Dann aber hatte ihm Sharp eine Beteiligung an einem gemeinsamen Unternehmen angeboten, und Louis Dohme war nach Baltimore zurückgekehrt. Im Jahr 1860 hatten die beiden Männer ein Unternehmen zur Herstellung von Arzneimitteln gegründet, die Firma Sharp & Dohme.
Es war im Nachhinein betrachtet ein besonders günstiger Zeitpunkt für die Gründung eines solchen Betriebes, denn just in diesem Jahr war der Anwalt Abraham Lincoln zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden. Mit ihm zog der Amerikanische Bürgerkrieg herauf, der der neuartigen Arzneimittelindustrie einen kräftigen Anstoß gegeben sollte.
Nachdem zunächst elf Südstaaten aus der Union ausgetreten waren und die Konföderierten Staaten von Amerika gegründet hatten, war es 1861 zum Krieg mit den Nordstaaten gekommen, die die Abspaltung nicht akzeptiert hatten. Für das riesige Heer an Soldaten waren Medikamente aller Art benötigt worden. Erstmalig waren diese Arzneimittel in Fabriken gefertigt worden. Unternehmen wie E. R. Squibb & Sons hatten Pulver und Tabletten in großer Stückzahl produziert und die Armeen der Nordstaaten beliefert. Auch Sharp & Dohme hatte die Unionstruppen mit Medikamenten ausgestattet. So war im Schatten des Kriegs eine neue Industriebranche entstanden.
Doch auch nach dem Bürgerkrieg war die Nachfrage nach Arzneimitteln weiter gewachsen. Viele US-Bürger versorgten sich, wenn sie krank waren, lieber selbst mit Pillen, statt zu einem teuren Arzt zu gehen. Arzneimittel gab es an jeder Ecke. Allerdings verdienten viele Präparate den Namen nicht. Zu einem Großteil bestanden sie aus Wasser, Alkohol und einem Geschmacksmittel, und häufig waren die angebotenen Arzneimittel unrein oder enthielten nicht die Inhaltsstoffe, die auf der Packung standen. Für einen Pharmaunternehmer wie Dohme bedeutete das: Wer sich in diesem Markt als ernsthafter Anbieter durchsetzen wollte, tat gut daran, bei seiner Kundschaft Vertrauen zu wecken. So begannen Pharmaunternehmen wie Upjohn, Eli |43| Lilly und Sharp & Dohme in einem neuen Stil für sich und ihre Produkte zu werben. Sie inserierten in Zeitungen und machten ihre Namen im ganzen Land bekannt. Sie
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