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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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ihren Kindern nicht die Brust geben mochten und sie stattdessen mit Kuhmilch, Brei |39| und Zuckerwasser abspeisten. Und oft waren es Frauen wie Bertha Oetker mit einem großen Haushalt, zu dem auch Gesinde gehörte, die bei all ihrer Arbeit für die Pflege der Kinder nicht ausreichend Zeit fanden. In der Gegend, wo die Oetkers lebten, haben zeitgenössische Mediziner noch eine andere Besonderheit gefunden. Man gab den Säuglingen oft Pumpernickelbrot, wenn man sie beruhigen wollte – eine von Kleinkindern kaum zu verdauende Nahrung. Es ist denkbar, dass auch die Kinder des Bäckers auf diese Weise ruhig gestellt wurden.
    Vielleicht aber wurden die Oetker-Kinder auch durch Infektionen oder Seuchen dahingerafft. Es gab noch keine Medikamente gegen Pocken, Scharlach, Masern und Diphtherie, keine wirksamen Arzneien, die Typhus und Tuberkulose, die damals noch Schwindsucht hieß, bekämpfen konnten. Meist riefen Eltern nicht einmal den Arzt, wenn ihre Kinder krank wurden. In einem 1877 erschienenen Bericht aus Minden rügte ein Mediziner die Gewohnheiten der Einheimischen: »Der westfälische Landmann versäumt es in den allermeisten Fällen, in Krankheitszuständen bei sich selbst oder in der Familie rechtzeitig ärztliche Hilfe nachzusuchen; erst wenn die Krankheit den Angehörigen und Verwandten gefährlich erscheint, bequemt er sich hierzu und begnügt sich häufig damit, ärztlichen Rath auf ›mündlichen Bericht‹ zu fordern. Das gilt aber ganz besonders bei Krankheiten kleiner Kinder, die ja nicht sagen können, was ihnen fehlt. Man vertraut hier lediglich der Heilkraft der Natur, nachdem vorher das Heer der vorgeschlagenen, oft unsinnigen Hausmittel erschöpft ist, oder bedient sich der homöopathischen Mittel.«
    Wie die meisten Eltern damals dürften der Bäckermeister Oetker und seine Frau den Verlust der Kinder als einen unabwendbaren Schicksalsschlag hingenommen haben – gottergeben und mit einem gewissen Gleichmut. Das Kindersterben war damals noch Teil der Alltagswirklichkeit. Man litt, man klagte – und lebte weiter. »Der liebe Gott hat mit uns getheilt«, trösteten sich die Eltern.
    Wie mag wohl der ältere Bruder auf den Verlust der Geschwister reagiert haben? August Oetker war ein aufgeweckter Junge, der gern forschte und tüftelte. Er war wissbegierig und von einem gesunden |40| Ehrgeiz beflügelt. »Benutze jede Gelegenheit, um etwas zu lernen«, lautete ein Rat, den er damals beherzigte und in seinem späteren Leben häufig anderen Menschen erteilte.
    Zunächst hatte August Oetker die Bürgerschule in Obernkirchen besucht und war später auf das Gymnasium in Bückeburg gewechselt, das zum Herzogtum Schaumburg-Lippe gehörte. In Bückeburg war das Schulgeld niedriger. Der Bäckersohn war dort Schüler des angesehenen »Adolfinums«, als sich ihm und seiner Familie die Frage stellte, welche Richtung er in seinem Leben einschlagen sollte. Auf welchem Feld sollte er sich beweisen? August Oetker beschloss, Apotheker zu werden. Er wollte lernen, wie Arzneimittel wirken und wie man sie herstellte. Ein auf dem Gymnasium gewecktes Interesse an der chemischen Wissenschaft mag bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Aber vielleicht hat den Jugendlichen auch der frühe Tod der Geschwister bewogen. Vielleicht hat er sich gefragt, ob ihnen mit der richtigen Medizin hätte geholfen werden können.
    Naheliegend wäre für den Sohn des Bäckermeisters damals ein anderer Berufsweg gewesen. August Oetker hätte im Betrieb des Vaters anfangen können, als ältester Sohn war er der geborene Nachfolger. Er hätte auch bei seinem Onkel Louis C. Oetker in die Ausbildung gehen können. Sicher hätte der den Neffen gerne zu sich genommen, so wie er es dann ja mit dessen jüngerem Bruder Albert tat. Auch zu einem anderen Onkel, dem Seidenfabrikanten Albert Ferdinand Oetker in Krefeld, waren die Verbindungen eng.
    Aber es gab da noch einen weiteren Verwandten, der eine Rolle im Leben des Schülers August Oetker spielte – Onkel Louis in Amerika. Es spricht viel dafür, dass dieser Mann damals entscheidenden Einfluss auf August Oetker ausübte. Ja, es gibt sogar Indizien dafür, dass auch der spätere Unternehmer August Oetker seine wichtigsten Anregungen von dem Verwandten in der Neuen Welt bezog.
    Doch wer war dieser Onkel in Amerika? Genau genommen, war Louis Dohme ein Vetter von August Oetkers Vater. Dessen Mutter und die Mutter Dohmes waren Schwestern gewesen. Auch Louis Dohme stammte aus Obernkirchen, wo

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