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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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mechanische Seidenstoffweberei so wenig Ansprüche an geistige und körperliche Beschäftigung der Arbeiter stellt, wie das kaum in einer anderen Industrie der Fall ist«.
    Tatsächlich war die Belastung hoch. Die typische Arbeiterin bei Deuß & Oetker fand sich im Sommer um sechs Uhr morgens in der Fabrik ein und arbeitete mit einer viertelstündigen Frühstückspause bis zwölf Uhr mittags. Nach anderthalb Stunden Mittagspause trat sie wieder zur Arbeit an und blieb bis sieben Uhr abends, so dass sich die reine Arbeitszeit auf elf Stunden pro Tag belief. Samstags und vor Feiertagen dauerte der Arbeitstag bis halb sechs. Jugendliche Arbeiter zwischen 14 und 16 Jahren arbeiteten volle zehn Stunden. Eine Kantine gab es nicht, nur ein Kaffeezimmer.
    In der Fabrik herrschte ein strenges Regiment. Die Firmenleitung verhängte regelmäßig Geldstrafen, wenn Arbeiter Fehler machten oder nicht parierten. Geahndet wurden nicht nur unentschuldigtes Fernbleiben und Zuspätkommen. Die »Arbeitsordnung für die Fabrik von Deuß & Oetker, Schiefbahn« aus dem Jahr 1900 legte auch Geldstrafen für Delikte fest wie »Betreten von Räumen, in welchen dem Arbeiter keine Beschäftigung angewiesen ist«, »Verweilen in den Arbeitsräumen nach Schluss der Arbeitszeit« und »Um- und Ankleiden sowie Waschen und Kämmen an nicht dazu bestimmten Stellen«. Auch |34| wer Mängel an Webmaschinen nicht sofort anzeigte, musste mit Lohnabzügen rechnen. Die höchste Geldstrafe lag bei einer Mark für die »Nichtbeachtung der Arbeitsvorschriften der Vorgesetzten«.
    Der Christliche Gewerkschaftsverband beklagte, dass »die Behandlung der Arbeiterschaft seitens der Firma bzw. ihrer Angestellten nachgerade unerträglich« geworden sei, und kritisierte besonders das »traurige Straf- und Lohnabzugssystem«. Der von Oetker eingesetzte Fabrikdirektor Ewald Hülsemann übte seine Macht in besonders umstrittener Weise aus. »Der Direktor ›bestrafte‹ einige jugendliche Arbeiterinnen, die außerhalb der Arbeitszeit ein fremdes Grundstück betreten hatten, mit zwei Mark, welche ›für die Armen‹ verwendet werden sollten«, hieß es in einem Bericht der Gewerkschaft. »Ähnliche Strafen waren folgende: Auf’s Gras getreten: 25 Pfg. Strafe, Kartoffeln nicht rein aufgelesen: 50 Pfg. Strafe, Rübstiel ausgerissen: 25 Pfg. Strafe. Mit einer Maus gespielt und dabei gekreischt: 25 Pfg. Strafe.«
    Die Arbeiterschaft empfand diese Geldstrafen als demütigend. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das Unternehmen den auf diese Weise einbehaltenen Lohn in eine besondere Unterstützungskasse leitete, die vor allem den Familienvätern unter den Arbeitern, die in Not geraten waren, zugute kam.
    Mit Unterstützung der Gewerkschaft bildete sich bei Deuß & Oetker in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts ein so genannter Arbeiterausschuss. Das Gremium entwarf eine Eingabe an die Firmenleitung, in der bessere Löhne und ein Ende der Strafen gefordert wurden. Aber Albert Oetker lehnte jedes Entgegenkommen ab. Er mochte den Arbeiterausschuss nicht einmal anerkennen. Die Fronten verhärteten sich. So kam es im Mai 1905 bei Deuß & Oetker zu einem Arbeitskampf, der mehr als drei Monate dauern sollte. Nach Darstellung des Firmenchronisten Hügen war es der größte Weberstreik des Rheinlandes. Damals zählte das Unternehmen schon mehr als 1000 Mitarbeiter.
    Die Firmenleitung verhandelte zwar mit dem Ausstandskomitee, zeigte sich aber nicht bereit, auf Forderungen einzugehen. Der Krefelder Gewerkschaftsführer Jakob Pesch sprach Ende Juli 1905 vor |36| einer Versammlung von rund 600 Arbeiterinnen und Arbeitern in Schiefbahn. Daraufhin wurde eine Resolution verfasst, die dem Bürgermeister übergeben wurde: »Die Versammelten sind fest davon überzeugt, dass der Friede in einer für beide Seiten befriedigenden Weise herbeigeführt werden kann, wenn die Firma es nur will.« Der Bürgermeister wurde aufgefordert, den Landrat in Gladbach um eine Schlichtung des Konflikts zu bitten. Aber der Landrat mochte sich nicht näher mit der Sache befassen, nachdem ihm Kommerzienrat Oetker erklärt hatte, dass er den Forderungen seiner Arbeiter niemals nachkommen werde. Überdies war man auch im Landratsamt der Ansicht, dass der Gewerkschafter Pesch ein »gefährlicher Hetzer« sei, »der von langer Hand die Schiefbahner Arbeiter zum Streik aufgefordert und aufgewiegelt hat«.
    Albert Ferdinand Oetker, hier mit seiner Gemahlin Milly und ihren Kindern,
führte ein strenges

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