Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
herausgesucht. Aber dann hatten die Banken von den Behörden eine neue korrigierte Liste erhalten, in die einer der drei Tausender aufgenommen worden war, die Zlof bei seiner Hausbank einzahlte.
Das Verfahren gegen den nicht geständigen Dieter Zlof wurde ein Indizienprozess. Er begann am 26. November 1979 und dauerte mehr als 50 Tage. Verhandelt wurde vor der 5. Strafkammer beim Landgericht München II. Die Voraussetzungen waren denkbar ungünstig. Denn bei den Ermittlungen hatte es eine Vielzahl von Pannen gegeben. So waren die Anrufe des Entführers bei Marion Oetker in einer so schlechten Qualität aufgezeichnet worden, dass auch Sprachwissenschaftler nicht sicher sagen konnten, ob Zlof der Sprecher war oder nicht. An dem Ort, wo Richard Oetker ausgesetzt worden war, waren sämtliche Spuren von Sanitätern zertreten worden. Zlofs Werkstatt war mittlerweile abgerissen worden.
Immerhin hatte die Polizei in einer von Zlof angemieteten Garage den Pritschenwagen gefunden, den Hohlraum entdeckt und zu Recht vermutet, dass darin der Geldkoffer versteckt gewesen war. Die Beamten hatten auch das Geschäft gefunden, in dem Zlof Schaumstoff gekauft hatte. Es gab eine Reihe von Zeugen, die Zlof bei der Vorbereitung der Tat beobachtet haben wollten, und weitere, die meinten, seine Stimme wieder zu erkennen. Aber viele dieser Zeugenaussagen, das wussten die Ermittler, waren das Ergebnis einer Massensuggestion, |279| wie sie bei solchen Sensationsprozessen immer vorkam. Es gab noch weitere Indizien. In einem Diktat hatte Zlof zum Beispiel »Türniesche« geschrieben, so, wie es auch in einem der Erpresserbriefe stand. Diesen Rechtschreibfehler machten allerdings auch viele andere Menschen.
Zlof wurde von drei exzellenten Anwälten verteidigt: von Rolf Bossi, einem so genannten Staranwalt, seinem jungen Kanzleikollegen Steffen Ufer und dem Pflichtverteidiger Martin Amelung. Aber auch der Angeklagte selbst erwies sich als guter Advokat in eigener Sache, jedenfalls dann, wenn es darum ging, Widersprüche und Ungereimtheiten in Zeugenaussagen aufzuspießen. Ansonsten empfanden ihn viele Zuhörer als arrogant.
Richard Oetker kam auf Krücken in den Gerichtssaal. Wie bei wenigen Verbrechen wurde das Leid des Opfers unmittelbar sichtbar. Täglich musste der schüchtern wirkende Mann durch das Blitzlichtgewitter. Er saß meist mit gesenktem Kopf und verfolgte den Prozess aufmerksam. Bei seinen Aussagen sprach er mit einer ruhigen tiefen Stimme.
Oetker sagte aus, dass der Mann, der ihn auf dem Parkplatz an der Universität entführt hatte, ein anderer gewesen sei als jener »Checker«, der ihn bewacht hatte und mit dem er mehrfach gesprochen hatte. Ob Zlof dieser Bewacher war, konnte Oetker nicht sicher sagen. Nachdem er sich schon einmal getäuscht hatte, war er vorsichtig geworden. Was Oetker das Erkennen erschwerte: Die Stimme, die er in der Kiste gehört hatte, hatte Hochdeutsch gesprochen. Der Angeklagte hatte seit Prozessbeginn aber fast nur bayrisch gesprochen. »Aber während der wenigen hochdeutschen Worte, die er sagte, erinnerte mich seine Stimme sehr, sehr stark an die des Checkers«, so Oetker.
»Richard Oetkers Aussage ist makellos«, schrieb Gerhard Mauz im
Spiegel
. »So schwer er gezeichnet wurde, so inständig ist er bemüht, nichts Leichtfertiges zu sagen. Man kann sich als Opfer einer Tat nicht fairer, nicht menschlicher verhalten.« Oetker musste während des Prozesses unangenehme Situationen ertragen. Einmal schlug Zlofs Anwalt einen Größenvergleich der Hände des Angeklagten mit denen des Zeugen vor. Oetker hatte ausgesagt, dass »Checker« kleine Hände gehabt |281| habe. Zlof ging zur Zeugenbank und presste seine Hand gegen die seines Opfers, um zu demonstrieren, dass sie fast ebenso groß war. Nur der Angeklagte wusste zu dieser Zeit, dass er bei der Entführung zu kleine Handschuhe getragen hatte, um sein Opfer zu täuschen.
Das Verbrechen hinterließ seine Spuren: Richard Oetker, hier in
Begleitung seiner Frau Marion, kam mit Krücken zur Gerichtsverhandlung
.
|281| Während der Prozess lief, musste Richard Oetker als Patient schwere Entscheidungen treffen. In einer Operation ließ er sich zwei künstliche Hüftgelenke einsetzen, obwohl deren Haltbarkeit begrenzt war. Im Gericht sagte er: »Was nützt es mir, wenn ich jetzt 30 Jahre im Rollstuhl sitze und dann wieder rumlaufen kann? Meine Jugend habe ich dann an den Nagel gehängt.«
Über 200 Zeugen und Sachverständige traten auf. Vor allem zwei
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