Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Zeugen belasteten Zlof schwer. Einer sagte aus, er habe Zlof zehn Tage vor der Entführung auf einem Gebrauchtautomarkt gesehen, auf dem der Opel Commodore gekauft worden war, in dem Richard Oetker gefunden wurde. Der Zeuge, für dessen BMW sich Zlof an diesem Tag ebenfalls interessiert hatte, zeigte sich seiner Sache ganz sicher. Allerdings erkannte der Verkäufer des Opels Zlof nicht wieder. Ein Kassierer aus einem staatlichen Reisebüro im österreichischen Kufstein identifizierte Zlof als den Mann, der bei ihm sechs Tausendmarkscheine eingetauscht hatte, von denen sich später erwies, dass sie aus dem Oetker-Lösegeld stammten.
Bei einer Reihe anderer Zeugen ergab sich dagegen im Prozess, dass sie sich nur wichtig machen wollten. Eine Verkäuferin wollte Zlof als den Mann erkannt haben, der bei ihr die Schaumstoffmatten gekauft hatte. Doch es stellte sich heraus, dass die Frau am fraglichen Tag nur Matten einer anderen Stärke und Preisklasse verkauft hatte. Zlofs Verteidiger nahmen solche Zeugen auseinander.
Die Prozessbeobachter waren hin- und hergerissen. Im
Spiegel
argumentierte Gerhard Mauz vor der Urteilsverkündung, dass im Fall der Oetker-Entführung die »Gefahr eines totalen Irrtums« besonders groß wäre: »Der Sohn einer prominenten Familie wurde entführt, schwer verletzt kam er gegen ein sensationelles Lösegeld von 21 Millionen Mark frei. So etwas darf nicht unaufgeklärt bleiben, das rührt an die Selbstachtung der Polizei, es hat das perfekte Verbrechen nicht |282| zu geben. Doch der Erfolg blieb hartnäckig aus, und der Druck der öffentlichen Kritik wurde immer stärker.« In dieser Situation habe es Hinweise auf einen Täter gegeben, der von seiner ganzen Persönlichkeit geradezu der Prototyp eines Justizopfers sei. »Dieter Zlof ist außerstande, jedenfalls in der Rolle des Angeklagten, für sich einzunehmen.« Ob er an Zlofs Schuld glaubte, schrieb Mauz nicht.
Der Staatsanwalt begann sein Plädoyer mit den Worten: »Maßlose Geldgier, Skrupellosigkeit und Kaltblütigkeit, aber auch Einfallsreichtum und Intelligenz kennzeichnen die Täter, die Richard Oetker am 14. Dezember 1976 in ihre Gewalt gebracht und zwei Tage später nach Zahlung von 21 Millionen Mark Lösegeld wieder freigelassen haben.« Nach der Beweisaufnahme spreche alles dafür, »dass der Angeklagte Zlof im Zentrum dieser Tat steht«. Der Ankläger beantragte eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren wegen erpresserischen Menschenraubs und schwerer Körperverletzung.
Zlofs Verteidiger wiesen in ihren Plädoyers darauf hin, dass Richard Oetker unmittelbar nach der Entführung einen Unschuldigen als Täter identifiziert hatte. Penibel führten die Anwälte aus, wie sich die Zeugen widersprochen hatten und wie das, was sie vor Gericht sagten, abwich von dem, was sie bei polizeilichen Vernehmungen zu Protokoll gegeben hatten. Die Verteidiger monierten, dass Zlof bei Gegenüberstellungen den Zeugen zusammen mit Vergleichspersonen präsentiert worden war, aus deren Gruppe er durch Größe und Kleidung deutlich herausstach. Effektvoll zählte Rechtsanwalt Ufer auf, was alles am Ende des Prozesses nicht aufgeklärt war: »Wo sind die Mittäter, die drei Verwahrorte, das Entführungsfahrzeug, die Holzkiste, das Lösegeld, der Geldkoffer, die Gegensprechanlage, die Handschellen, die weißen Handschuhe, die Faschingsmaske?«
Dieter Zlof, inzwischen 37 Jahre alt, hatte einen letzten großen Auftritt. Unter Tränen sagte er: »Ich kann nicht beweisen, dass ich unschuldig bin. Aber muss ich’s denn beweisen, muss man mir nicht meine Schuld nachweisen?« Psychologisch geschickt räumte er ein, kein sympathischer Mensch zu sein. Aber er sei kein Verbrecher. Er wollte nicht um Gnade oder Milde bitten: »Ich will Gerechtigkeit.«
|283| Er bekam sie. Am 9. Juni 1980 verurteilte die 5. Strafkammer beim Landgericht München II Dieter Zlof zu 15 Jahren Haft. Gleichzeitig wurde Zlof verurteilt, an Rudolf-August Oetker 21 Millionen Mark zu zahlen und 60000 Mark Schmerzensgeld an Richard Oetker. Das Gericht war zu der Überzeugung gekommen, dass der Angeklagte an der Entführung maßgeblich beteiligt gewesen war. Er sei der Bewacher Oetkers gewesen, habe mit dessen Frau telefoniert und auch die Erpresserbriefe geschrieben. Bei ihm sei ein Pritschenwagen mit einem Kasten in der Ladefläche gefunden worden, der als Lösegeldversteck gedient habe. Außerdem habe er zur Tatzeit einen VW-Bus gehabt, wie er bei der Entführung benutzt worden sei. Er sei
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