Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
für die Kunsthalle und ihre Besucherinnen. »Einer Frau ist es nicht zuzumuten, dort überhaupt hinzugehen«, fand Oetker. Der Museumsstifter blieb der Ausstellungseröffnung fern, obwohl mit ihr zugleich das 25-jährige Bestehen des Hauses gefeiert werden sollte.
Die Picasso-Schau brachte Rudolf-August Oetkers Verhältnis zu Museumsleiter Weisner auf einen Tiefpunkt. Die Beziehung war auch schon dadurch belastet, dass Weisner den umstrittenen Namen »Richard-Kaselowsky-Haus« auf Plakaten und Schriften der Kunsthalle einfach weggelassen hatte.
Wenige Monate nach der umstrittenen Picasso-Ausstellung erlitt Museumsleiter Weisner während einer Bergtour in Österreich einen Herzinfarkt und starb. Sein Nachfolger wurde der Schweizer Thomas Kellein. Er bemühte sich bald nach seinem Amtsantritt, das Verhältnis zum Oetker-Clan zu verbessern. Davon versprach sich der neue Chef der Kunsthalle finanzielle Zuwendungen, während die Kassen der Stadt Bielefeld leer waren. Zur Freude des Konzernpatriarchen ließ Kellein in der Außendarstellung des Museums nun den Namen Kaselowsky wieder aufleben und teilte der Öffentlichkeit mit: »Das Verhältnis zum Hause Oetker hat sich beruhigt.«
Tatsächlich aber kochte der alte Streit wenige Jahre später noch einmal hoch. Für den Betrieb der Kunsthalle sollte eine Stiftung gegründet werden, an der sich Rudolf-August Oetker beteiligen wollte. Der Industrielle bestand allerdings darauf, dass die Benennung des Hauses nach seinem Stiefvater beibehalten werden müsste. Als das bekannt wurde, brandete erneut Opposition in der Stadt auf. Die
Radiogruppe
im AJZ
(ArbeiterInnen-Jugendzentrum) produzierte einen Beitrag über den früheren Oetker-Chef Kaselowsky und seine Mitgliedschaft im Freundeskreis Himmler. Der Bericht sollte in
Radio Bielefeld
ausgestrahlt werden, einem Privatsender, der nach den nordrhein-westfälischen Mediengesetzen verpflichtet war, dem so genannten Bürgerfunk einen Teil seiner Sendezeit zu überlassen. Doch der Sender nahm mit der Firma Oetker Kontakt auf und lehnte es anschließend ab, den Beitrag der jungen Radiomacher auszustrahlen. Er enthalte »unwahre |339| Tatsachenbehauptungen«. Erst nach einem Beschluss der Landesanstalt für Rundfunk wurde der Bericht doch gesendet. »Letztlich erhielt das Thema durch die Zensurversuche noch mehr Aufmerksamkeit«, sagte Klaus Müller von der
Radiogruppe
.
Nicht nur junge Linke protestierten. Auch der renommierte Historiker Hans-Ulrich Wehler hielt es für skandalös, dass die Kunsthalle der Stadt seit 30 Jahren den Namen Kaselowsky trug. Wehler, der Jahrzehnte an der Universität Bielefeld gelehrt hatte, machte in der Öffentlichkeit Front dagegen. In einem viel beachteten Vortrag an der Universität beklagte der Professor die »Verletzung der politischen Scham«. In Wehlers Worten war Richard Kaselowsky als Mitglied des Freundeskreises Himmler einer der »Auserwählten eines klassischen Großschlächters des so genannten ›Dritten Reiches‹«. Der Historiker forderte die rotgrüne Stadtratsmehrheit 1998 auf, die Kunsthalle endgültig von Kaselowskys Namen zu befreien – auch um den Preis eines Konflikts mit der Firma Oetker. Es dürfe keinen »Kotau vor der ökonomischen Macht« geben, verlangte der Professor. Wehler war aufgefallen, mit welcher Ehrfurcht in der Stimme viele Verantwortliche in Bielefeld vom »Hause Oetker« sprachen.
Auch in Künstlerkreisen regte sich neuer Unmut. Eine Gruppe mit dem Namen »Leidenschaft für die Kunst« forderte die Umbenennung der Kunsthalle und wandte sich gegen eine »Übergabe an finanzstarke Unternehmen«. Tatsächlich war der Oetker-Konzern 1998 wie auch in anderen Jahren einer der größten Steuerzahler der Stadt. Der Patriarch hatte sich mehr als einmal von seiner freigebigen Seite gezeigt, so dass es den Kommunalpolitikern ratsam erschien, ihn nicht zu verärgern.
Oberbürgermeisterin Angelika Dopheide (SPD) bemühte sich um einen Kompromiss. Dabei kam die Idee auf, die Kunsthalle nach Ida Kaselowsky zu benennen. Die Mutter Rudolf-August Oetkers hatte sich unzweifelhaft Verdienste erworben. Bis zu ihrem Tod 1944 hatte sie sich um die sozialen Belange der weiblichen Oetker-Beschäftigten und der Kinder gekümmert.
»Um Schaden von unserer Stadt und allen Beteiligten abzuwenden |340| «, erklärte sich die Firma Oetker in einem Brief an die Oberbürgermeisterin mit dem Vorschlag einverstanden. Jeder möglichen Kritik hielt der Oetker-Manager Guido Sandler in dem
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