Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Deutschlands Museumslandschaft singuläre Tatsache, dass ein öffentliches Kunstmuseum nicht nach einem Künstler, Sammler, Stifter oder Museumsleiter benannt wurde, sondern 30 Jahre lang als Gedenkstätte für zwei Unternehmerfamilien und als Erinnerungsmal für einen hochrangigen Funktionsträger des nationalsozialistischen Systems in der Region fungiert hatte, ist Symptom – nicht nur für die Provinzialität Bielefelds, sondern auch dafür, wie Kultur und Kunst dazu beigetragen haben, den Übergang vom Nationalsozialismus zur Bundesrepublik unter weitgehender Beibehaltung der alten Eliten in Politik, Wirtschaft und Verwaltung zu legitimieren.«
Die Oetkers ließen sich durch den Kunsthallenstreit nicht davon abhalten, aus dem Familienvermögen ansehnliche Beträge für Gemeinnütziges abzuzweigen. Im Januar 1999 gründete Rudolf-August Oetker eine Stiftung für Kunst, Kultur, Denkmalschutz und Wissenschaft, die seinen Namen trägt. Der Industrielle hat für diesen Zweck ein Kapital von 32 Millionen Mark abgezweigt, das später auf 80 Millionen Mark erhöht werden sollte.
Nachdem sich in Bielefeld die politischen Verhältnisse mit den Kommunalwahlen 1999 geändert hatten, machte die neue konservative Mehrheit im Stadtrat dem Industriellen Rudolf-August Oetker ein Versöhnungsgeschenk. Ein Teil der Straße, in der das Haus gestanden hatte, in dem Richard Kaselowsky mit seiner Frau und zwei Töchtern 1944 ums Leben gekommen war, erhielt 2001 den Namen Kaselowskystraße. Das Geschenk war regelrecht bestellt worden, wie aus einem Brief des zweiten Bürgermeisters Rainer Wend (SPD) und des SPD-Fraktionschefs hervorgeht. »An die Bielefelder SPD und an uns persönlich |345| wurde aus dem Hause Oetker der Wunsch herangetragen, die Familie Kaselowsky zu würdigen«, schrieben die beiden Politiker ihren Genossen. Aber die SPD-Basis wandte sich mehrheitlich gegen den Vorschlag.
Zwar konnte mit dem Namen Kaselowskystraße theoretisch auch der Textilindustrielle Ferdinand Kaselowsky gemeint sein, der eine Ehrung durchaus verdient hätte. Allerdings hätte man dann nicht ausgerechnet die Straße wählen sollen, in der dessen Großneffe, der Himmler-Freund Richard Kaselowsky, gewohnt hatte. »Die Botschaft, die durch die Benennung eines Parks, einer Kunsthalle oder Straße nach Kaselowsky in der Öffentlichkeit ›ankommt‹, ist doch offensichtlich die: Gegenüber dem wirtschaftlichen Erfolg – der bei Kaselowsky wie Oetker unbestritten ist – ist alles andere nachrangig«, kritisierte der Bielefelder Soziologieprofessor Karl A. Otto.
Nach seinem Rückzug aus der Bielefelder Kunsthalle mochte sich Rudolf-August Oetker nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass er der Öffentlichkeit bedeutende Kunstwerke vorenthielte. So ließ er im Mai 2003 im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kultur in Münster zum ersten Mal einen großen Teil seiner Privatsammlung ausstellen. Der Patriarch ließ aus seinen Häusern, Urlaubsdomizilen, aus Unternehmen und Hotels über 250 Kunstwerke zusammentragen, neben Gemälden und Zeichnungen auch Porzellan und Goldschmiedestücke. Auch Oetkers Kinder stellten für die Schau Kunstwerke zur Verfügung. Das Spektrum reichte von der spätmittelalterlichen Tafelmalerei bis zu Werken der klassischen Moderne. Erstmals konnte das Publikum die im Familienbesitz befindlichen Werke von Rubens, van Dyck, Canaletto, Klee, Spitzweg und Corinth sehen. Offiziell tauchte der Name Oetker bei der Ausstellung nicht auf – gezeigt wurde eine »westfälische Privatsammlung«.
Aber jedermann wusste, wem die Kunstwerke gehörten. »Es mag nicht allein Bescheidenheit gewesen sein, die Rudolf-August Oetker veranlassen ließ, die Provenienz der Sammlung nicht an die große Glocke zu hängen«, schrieb Felicitas von Lovenberg in der
FAZ
und vermutete, dass der Unternehmer sich nicht analysieren lassen wollte. |346| »Wer durch die Säle der Ausstellung schlendert, wird natürlich versuchen, sich ein Bild von diesem Sammler zu machen, sein Naturell, seine Vorlieben, seine Abneigungen zu ergründen.« Das war auch deshalb schwierig, weil der gezeigte Kunstbesitz Werke aus über fünf Jahrhunderten umfasste. Es war für fast jeden Geschmack etwas dabei, wobei sich allerdings erkennen ließ, dass Oetker eine Vorliebe für alte Meister und für das gemalte Idyll des 18. und 19. Jahrhunderts hat. In Münster war allerdings nur ein Viertel aller Kunstwerke aus dem Oetker-Besitz zu sehen.
Mit Hilfe der Kuratorinnen Monika
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