Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
Moltke im Januar 1945.
Auf solche Details kam es Rudolf-August Oetker nicht an. Mit seinem Hinweis wollte er nur verdeutlichen, dass selbst entschiedene Nazi-Gegner nichts gegen die Benennung der Kunsthalle nach dem SS-Unterstützer Kaselowsky einzuwenden gehabt hätten. Obwohl Oetker in der Debatte so tat, als lägen alle Fakten seit Jahren auf dem Tisch, verhielt es sich tatsächlich anders. Der Fall Kaselowsky war und ist niemals gründlich erforscht oder gar gerichtlich aufgearbeitet worden. Da der Oetker-Stiefvater das »Dritte Reich« nicht überlebt hatte, war sein politisches Verhalten während der NS-Zeit später auch nicht Gegenstand eines Prozesses oder eines Entnazifizierungsverfahrens geworden.
Anders als für viele Großunternehmen wie VW, die Allianz oder die Deutsche Bank ist die NS-Geschichte des Unternehmens Oetker bis heute nicht erforscht worden. Die Akten aus dem Entnazifizierungsverfahren, das Konzernsenior Rudolf-August Oetker durchlaufen hat, sind noch nicht zugänglich. Nicht einmal die Frage, ob die Firma Oetker während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigt hat, ist völlig geklärt.
Der Historiker Hanns-Jörg Kühne hat als Mitarbeiter des Bielefelder Stadtarchivs das Schicksal der Bielefelder Zwangsarbeiter aufgearbeitet und später in einem Buch beschrieben. Die Firma Oetker, das bekannteste Unternehmen der Stadt, kommt darin merkwürdigerweise überhaupt nicht vor. Auf Nachfrage berichtet der Historiker in einem Brief: »Während meiner Arbeit für die Stadt Bielefeld, bei der es um die Beschaffung von Arbeitsnachweisen für ehemalige Zwangsarbeiter ging, erhielt ich einige Schreiben aus der Ukraine, deren Verfasserinnen oder Verfasser davon berichteten, sie seien bei der Firma ›Oetker‹ oder ›Jotkin‹ tätig gewesen. Meine Nachforschungen ergaben |343| aber keinerlei Anhaltspunkte, dass dem wirklich so war, beziehungsweise, dass das Unternehmen tatsächlich so genannte ›Fremdarbeiter‹ einsetzte.«
Im Stadtarchiv Bielefeld wird eine Liste der Deutschen Arbeitsfront aufbewahrt, in der die meisten Bielefelder Zwangsarbeiterlager und die von ihnen beschickten Betriebe verzeichnet sind. Die Firma Oetker ist darin nicht enthalten. Auch in anderen Akten, in denen fast 15000 Zwangsarbeiter mit ihrer Herkunft und ihrem Einsatzort in Bielefeld verzeichnet sind, findet sich kein Hinweis auf die Nahrungsmittelfabrik.
Sollte das Unternehmen Oetker also tatsächlich keine Zwangsarbeiter beschäftigt haben, können moralische Bedenken kaum eine Rolle gespielt haben. Denn bei der Druckerei E. Gundlach, die von den Familien Oetker und Kaselowsky kontrolliert wurde, wurden während des Kriegs sehr wohl Zwangsarbeiter eingesetzt. Bei einer anderen Oetker-Beteiligung, den Kochs Adlernähmaschinen-Werken, die auf Rüstungsproduktion umgestellt worden waren, wurden sogar Hunderte aus der Sowjetunion verschleppte Menschen zur Arbeit gezwungen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass in der Nahrungsmittelproduktion aus Sicherheitsgründen auf den Einsatz von Zwangsarbeitern verzichtet wurde. Das Unternehmen gehörte ja zu den Lebensmittellieferanten der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS.
Hatten die Bielefelder Stadtoberen 1998 gefürchtet, der Streit um Kaselowsky könnte den Clan dazu bewegen, Bielefeld den Rücken zu kehren, so wurden sie bald beruhigt. Der Ehrenbürger Rudolf-August Oetker, der auch schon mal dem örtlichen Fußballverein Arminia Bielefeld aus der Krise geholfen hatte, gab sich ganz gelassen: »Wenn eine Mehrheit im Stadtrat Beschlüsse zur Kunsthalle fasst, berührt das nicht mein Verhältnis zu meiner Vater- und Geburtsstadt Bielefeld.«
Während der Patriarch in der Diskussion defensiv blieb, sah sich seine temperamentvolle Frau Maja in einem regelrechten politischen Frontenkrieg: »Hier wurde von linken Ideologen gegen alles, was als rechts gilt, Agitation betrieben zu einem Zeitpunkt, zu dem Kommunisten in deutsche Länderregierungen einziehen«, eiferte sie. Dabei |344| stieß sich Maja Oetker sogar daran, dass sich unter den Kritikern Auswärtige befanden. Die »nachträgliche Denunziation« Kaselowskys, zürnte sie, komme von »Ideologen im grünen Umkreis der Universität, wovon die wenigsten Bielefelder sind«. Dabei stammt sie selbst aus München. Maja Oetker schreckte nicht einmal davor zurück, von einem »linken Meinungsterror« zu sprechen.
Die Kunsthistorikerin Irene Below hielt den Vorgang für beispielhaft in mehrfacher Hinsicht: »Die in
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