Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
könnte, ohne dass die übrige Gruppe davon betroffen wäre«, erläuterte August Oetker Ende 2002 dem
Handelsblatt
. Über familiäre Festlegungen sagte der Konzernlenker in dem Interview: »Wir haben in der Unternehmensverfassung die Nachfolge geregelt in dem Bewusstsein, dass alles, was wir heute denken, auch falsch sein kann. So muss die nächste Generation die Möglichkeit erhalten, es ganz anders zu machen. Wir machen ihnen das nicht einfach, aber es muss möglich sein. Dabei gibt es keine Tabufragen. Das schließt auch die Frage nach dem Bestand als Familienunternehmen ein.«
Gegen die Annahme allzu strenger Vorgaben durch den Patriarchen spricht zudem, dass Rudolf-August Oetker selbst in seinem Unternehmerleben immer wieder Beteiligungen abgestoßen hat, wenn ihm das sinnvoll erschien. So hat er mit dem Verkauf des Deutschen Rings seine Versicherungsaktivitäten auf ein Minimum reduziert. Aus der Textilbranche ist die Familie ebenfalls ausgestiegen, weil ihr dieses Geschäft nicht lag. Lange Zeit stand für Oetker sogar im Zweifel, ob das Bankhaus Lampe eine Zukunft innerhalb der Oetker-Gruppe haben würde, da sich keiner der Söhne in diesem Bereich engagieren wollte.
|372| Immer wieder haben die Oetkers ihren Firmenbesitz umgeschichtet, wenn sie sich davon Vorteile versprachen. Verkauft wurden etwa der Knabberhersteller Ültje und auch das Eiskremgeschäft, in dem Oetker gegen die Marktführer nicht ankam. Die Grundsatzentscheidung der Familie, das schwierige Brauereigeschäft weiter auszubauen, fiel nach einer langen kontroversen Diskussion im Management und in der Familie. Ein Ausstieg war nicht von vorneherein ausgeschlossen gewesen. Ihre Beteiligung von 12,2 Prozent am Parfümeriekonzern Douglas Holding, zu dem die Thalia-Buchhandlungen gehören, kann die Familie jederzeit verkaufen, wenn sie das Geld in eines ihrer Hauptgeschäfte investieren will.
Wenn es ein Vermächtnis gibt, an das sich die Nachfahren gebunden fühlen, dann ist es die Abneigung gegen die Börse. Für Rudolf-August Oetker stand immer außer Frage, dass das Unternehmen eine reine Familienfirma bleiben sollte, auch wenn das bedeutet, dass der Konzern die Mittel für sein Wachstum selbst verdienen muss und nicht bei Aktionären holen kann. »Oetker als Aktiengesellschaft kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!«, lautet die Standardantwort des Patriarchen. Auch sein ältester Sohn hält wenig von Aktiengesellschaften, nicht zuletzt deshalb, weil diese unter einer ständigen Beobachtung der Börsianer stehen. »Wir machen unsere eigene Firmenpolitik und richten uns nicht nach dem, was knapp 30-jährige, sicherlich in telligente Menschen sagen, die noch nie ein Unternehmen geführt haben und auch keine Verantwortung dafür tragen.«
Solange der Konzern nicht an der Börse notiert ist, bleibt seinen Mitarbeitern die in Aktiengesellschaften immer wiederkehrende Verunsicherung erspart, die von fallenden Kursen ausgeht. Vor einem Verkauf der Gruppe müssen die Oetker-Beschäftigten keine Angst haben. »Unsere Mitarbeiter wissen ganz genau: Wir werden nicht übernommen«, bekräftigte August Oetker zuletzt im April 2003 in einem Interview der
Welt
. »Und sie wissen auch, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, was die Generationenübergänge betrifft.«
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|373| 27. »Nicht derjenige sein, der es an die Wand fährt«
Acht Familienstämme in der fünften Generation
W enn er über sein Unternehmensreich sprach, nannte Rudolf-August Oetker es mit Vorliebe einen »volkseigenen Betrieb«. Von dessen Erfolg profitiere nämlich »erstens die Belegschaft und zweitens der Staat«, er selbst und die Seinen jedenfalls am allerwenigsten.
Anfang der achtziger Jahre behauptete Rudolf-August Oetker, er habe seinem Unternehmen 20 Jahre lang privat keinen Pfennig entnommen. Ob das tatsächlich zutraf, war für Außenstehende natürlich nicht zu überprüfen. Oetkers Firmen hielten ihre Gewinne stets geheim, von Angaben über die Ausschüttungen an den Inhaber ganz zu schweigen.
Vorstellbar ist es allerdings durchaus, dass die in der Oetker-Gruppe zusammengefassten Unternehmen ihre Gewinne über lange Zeit ansammelten und in neues Wachstum investierten. Denn die Familie verfügte neben ihrem Industriebesitz über ein großes Immobilien- und Wertpapiervermögen, dessen Erträge mehr als ausreichten, ihr ein angenehmes Leben zu ermöglichen und manche kostspielige Anschaffung obendrein.
Die erwachsenen
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