Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
abweisend. Bittbriefe beantwortete er bald sogar mit einer vorgedruckten Karte: »Geld verleihe ich nicht, Hypotheken beleihe ich nicht, fremde Angelegenheiten interessieren mich nicht, da ich mit meinen eigenen genug zu tun habe. Ich bitte, mich mit solch zwecklosen Anliegen verschonen zu wollen. Achtungsvoll Dr. A. Oetker, Bielefeld.«
In wenig mehr als einem Jahrzehnt war August Oetker zu einem bedeutenden Erzeuger von Markenware im Kaiserreich aufgestiegen. Mit etwa 50 anderen Unternehmern gründete er 1903 einen »Verband der Hersteller von Markenartikeln«. Die Fabrikanten wollten sich gemeinsam gegen »Preisschleuderei« schützen. Auch August Oetker hatte |70| es auf seinem Feld mit einer heftigen Konkurrenz zu tun. Sein Backpulver war so teuer, dass mehrere andere Anbieter, die niedrigere Preise verlangten, in den Markt eindringen konnten. Eine Zeit lang hatte Oetker vergeblich versucht, die Konkurrenz dadurch abzuwehren, dass er selbst ein Billigbackpulver auf den Markt gebracht hatte. Da die Mischung eine mindere Qualität aufwies, hatte er es nicht unter seinem eingeführten Namen vertrieben, sondern als »Zenit Backpulver« und »Eier-Backpulver«. Aber als er merkte, dass es ihm auch auf diese Weise nicht gelingen würde, die Wettbewerber zu verdrängen, konzentrierte er sich wieder ganz auf Qualitätsware. Seinen Vertretern schrieb er: »Mein Ehrgeiz liegt nicht darin, der billigste Lieferant zu sein, sondern als der erste und beste Fabrikant meiner Branche genannt zu werden.«
Je größer seine Firma wurde, desto mehr lag August Oetker daran, Vertraute heranzuziehen. 1906 stellte er einen seiner jüngeren Brüder an. Es war, wie sich herausstellen sollte, eine Entscheidung von weitreichender Bedeutung. Louis Oetker hatte wie August in Obernkirchen die Bürgerschule besucht, für das Gymnasium hatte es aber bei ihm nicht gereicht. Als 14-Jähriger hatte er eine Lehre in einem Bekleidungsgeschäft in Stadthagen aufgenommen. Und noch während seiner Ausbildungszeit hatte er wie schon August einige Jahre Erfahrungen in der Reichshauptstadt sammeln können. In Berlin hatte Louis Oetker bei einem Kaufmann gelernt, der dort für die Krefelder Seidenfirma Deuß & Oetker seines Onkels Albert Ferdinand arbeitete. In Abendstunden hatte sich der Lehrling damals auf einen höheren Schulabschluss, das so genannte Einjährigen-Examen, vorbereitet.
Der Textilfabrikant hatte große Pläne mit dem jungen Verwandten. Er hatte Louis Oetker aufgetragen, gründlich Englisch und Französisch zu lernen. Nach der Ausbildung und seiner Zeit beim Militär war Louis Oetker dann, wie verabredet, nach Krefeld übergesiedelt, um im Unternehmen des Onkels zu arbeiten. Seine Frau, die wie er aus Obernkirchen stammte, war mit ihm ins Rheinland gezogen. In Krefeld waren dann Zwillinge geboren worden. Kommerzienrat Albert Oetker hatte den jungen Kaufmann auf ausgedehnte Geschäftsreisen |71| zu Lieferanten und Abnehmern im europäischen Ausland geschickt. So hatte Louis Oetker für längere Zeit in London und Paris gearbeitet. Und er kannte auch Barcelona, Mailand, Kopenhagen und Brüssel, als er in die Backpulverfabrik seines Bruders in Bielefeld wechselte.
Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder, der ein strenger und ernsthafter Mann war, war Louis Oetker von fröhlichem und freundlichem Wesen, weltläufig und ein kulturell interessierter Mensch. Er hatte schon in Berlin eine Vorliebe für Opern entwickelt. Um möglichst viele Aufführungen sehen zu können, hatte er sich sogar als Statist verpflichten lassen.
In Bielefeld wurde Louis Oetker schnell zu einer wichtigen Stütze des älteren Bruders. Da er sehr viel von Vertrieb und Werbung verstand, übernahm er die Leitung des Außendienstes und stellte erstmalig zwei Reisende ein, die ein festes Gehalt bekamen. Louis war bereits der dritte Oetker-Bruder im Bielefelder Unternehmen, denn zwei Jahre vorher hatte schon der jüngere Dr. Eduard Oetker in der Firma die Leitung des Labors übernommen.
Eduard Oetker hatte seit jungen Jahren unter der Patenschaft von August Oetker gestanden, da er erst 15 Jahre alt gewesen war, als der Vater gestorben war. Bald nachdem August Oetker die Apotheke in Bielefeld übernommen hatte, hatte er seinen jüngeren Bruder zu sich geholt und ihn im eigenen Beruf ausgebildet. Anschließend hatte ihm August Oetker ein Studium der Naturwissenschaften finanziert, das Eduard nach Marburg und Rostock geführt hatte. Nach der Promotion war Eduard Oetker nach
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