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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Biedermeiers und der Restauration ein Denkmal setzte. Und Spitzweg, der Autodidakt, der niemals auf einer Akademie gewesen war, war wie Oetker ein Selfmademan. Der Malerpoet hatte die Zeilen gedichtet: »Leben ist: Die Lust zu Schaffen, anders Leib und Seel erschlaffen.« Das war ein Spruch ganz nach August Oetkers Geschmack.
    |76| Oetker selbst gab 1908 in einem Kalender einige »Beherzigenswerte Worte« heraus, die ein treffendes Charakterbild des Unternehmers zeichnen. Die erste von Oetkers Regeln lautete: »Arbeite! Arbeite unter Anspannung aller Kräfte – und diese werden bald zunehmen. Arbeite aufmerksam und fleißig – und deine Fähigkeiten werden sich rasch steigern. Arbeite so, dass es dir Freude macht! Rede dir alle Unlust aus und blicke nicht so häufig auf die Uhr. Mache aus deiner Arbeit einen Sport!«
    August Oetker war ein rastloser Mann und er empfahl diesen Lebensstil auch anderen Menschen: »Benutze jede Minute! Die Zeit ist dein Kapital; jede Minute muss dir Zinsen tragen. Es gibt kaum etwas Unsinnigeres, als mit irgendeiner Torheit ›die Zeit totzuschlagen‹. Zeit ist Leben; Zeitvernichtung ist Lebensvernichtung.« Für Oetker war das Leben ein »Pensum zum Abarbeiten«, wie er es bei Arthur Schopenhauer gelesen hatte. Der Unternehmer selbst empfahl seinen Lesern: »Schreibe deinen Lebensplan nieder! Du musst wissen, was du willst und dies in großen Umrissen niederschreiben.« Aber nicht nur ein Hauptziel müsse man haben, sondern auch genaue Planungen für jeden einzelnen Monat.
    Im schnellen Aufstieg des Unternehmers August Oetker spiegelte sich der Aufstieg des ganzen Landes. Es war eine kleine Erfolgsgeschichte vor dem Hintergrund einer großen. Das Wilhelminische Zeitalter war ja keineswegs so schlecht wie das spätere Ansehen des Kaisers, der ihm seinen Namen gab. Diese Epoche brachte den Deutschen große Fortschritte auf vielen Gebieten. Vor allem wuchs die Bevölkerung von 41 Millionen bei der Reichsgründung auf 67 Millionen im Jahr 1913, und besonders stark fiel das Wachstum in den Industrieregionen des Rheinlands und Westfalens aus. Es herrschte in diesen Jahren fast ununterbrochen Hochkonjunktur, getrieben von Innovationen wie der Elektrifizierung.
    Gelehrsamkeit und Forschung waren die Grundlage des deutschen Aufstiegs in der Kaiserzeit. Typisch für seine Zeit war August Oetker auch darin, dass sein Erfolg auf den Naturwissenschaften gründete. »Versäume keinen wissenschaftlichen Vortrag, besuche Bibliotheken, |77| Lesehallen, Ausstellungen, Museen und Sammlungen«, riet er in einer seiner Belehrungsschriften. Die deutschen Hochschulen galten als weltweit führend, von weit her kamen junge Wissenschaftler zum Studium. »Bewundernd ist damals gesagt worden, dass jeder Gelehrte zwei Vaterländer habe: sein eigenes und Deutschland«, schreibt Christian Graf von Krockow in seinem Buch über die »Deutschen in ihrem Jahrhundert«.
    Im schnellen Aufstieg der Oetkers spiegelt sich die industrielle Erfolgsgeschichte
des Landes. So sah 1914 die Abfüllanlage für Puddingpulver
aus.
    August Oetker plante, in Bielefeld eine naturwissenschaftliche Forschungsstätte zu schaffen, die allen interessierten Bürgern offen stehen sollte. Es sollte eine Art Volkshochschule mit gut eingerichteten Laboratorien sein, gedacht für all diejenigen, die sich ein Studium an der |78| Universität nicht leisten konnten. Farbstoffe, Bestecke und andere Gerätschaften wollte der Fabrikant stiften. Die Mikroskope wollte er den Kursteilnehmern gegen Leihgebühr zur Verfügung stellen. Der Unternehmer ließ ein komplettes Institut einrichten und stellte einen jungen promovierten Naturwissenschaftler namens Grün ein. Der erste Kursus war für August 1914 angekündigt. Er fand aber nicht statt, weil Grün in den Krieg ziehen musste. Das Projekt wurde auf Eis gelegt.
    Typisch für seine Zeit war August Oetker allerdings auch in dem, was er nicht tat. Millionen junge Deutsche waren bis 1890 nach Übersee gezogen, weil sie sich fern der Heimat ein besseres Leben versprachen. Doch dann hatten sich die Lebensbedingungen und die Stimmung in Deutschland fast schlagartig so verbessert, dass nur noch wenige die Heimat verlassen mussten. Auch der ambitionierte August Oetker sah keinen Anlass, auszuwandern.
    Mit seiner Handelsflotte exportierte das deutsche Kaiserreich jetzt Waren statt Menschen. Hochwertige Erzeugnisse der Chemieindustrie, der Feinmechanik und der Elektrotechnik wurden ins Ausland verkauft und

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