Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
Vom Netzwerk:
Fabrikgebäudes und im Sommer 1899 genehmigte er dessen Entwurf. Der Bau aus roten Backsteinen brauchte nur wenige Monate. Am 15. Mai 1900 zog die kleine Backpulver-Belegschaft aus den Räumen der Apotheke in die neue Fabrik um. Es war ein großes Ereignis für den Inhaber und seine Mitarbeiter – der Beginn eines neuen Abschnitts in einem neuen Jahrhundert.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war es bei der Produktion von Dr. Oetkers Backpulver fast familiär zugegangen. Auch beim Umzug packte jeder mit an. Beim Einräumen stieg August Oetker selbst auf die Leiter, wie sich eine Arbeiterin später erinnerte. Sie und ihre Kolleginnen erhielten aus der Hand des Chefs zum Dank für ihren Einsatz zwei Arbeitskittel. Die Männer bekamen jeder eine Flasche Wein geschenkt.
    Die erste Fabrik des Dr. August Oetker hatte drei Geschosse und 1800 Quadratmeter Nutzfläche. Im Erdgeschoss waren zur Straße hin die Laboratorien und eine Versuchsküche untergebracht. Nach hinten hinaus schloss sich ein Saal für die Mischmaschine an. Darüber lag im ersten Stock der Abfüllsaal, in dem zu Anfang etwa 75 Frauen arbeiteten. Vorne lagen die Kontore, und auch der Inhaber hatte hier sein Büro. Im zweiten Stock wurde eine Wohnung für den Prokuristen eingerichtet, der schon den Bau beaufsichtigt hatte und der Oetker vertrat, wenn dieser auf Reisen war. Auch Fertigware lagerte dort oben. An der Rückseite der Fabrik hatte Oetker einen Anbau errichten lassen, in dem die Erzeugnisse für den Versand verpackt wurden. Zehn Männer waren zu Beginn mit dieser Arbeit beschäftigt.
    Die Räume waren großzügig geplant worden und boten reichlich Platz für eine Ausweitung der Produktion. »Wenn dieses Haus voll ist, dann bin ich zufrieden«, sagte Oetker zu einem Mitarbeiter bald |64| nach dem Einzug. Aber dieser Tag sollte weitaus schneller kommen, als er erwartet hatte. Die Nachfrage nach Dr. Oetkers Erzeugnissen wuchs rasant. »Meine neue Fabrik setzt mich in den Stand, täglich 100000 Päckchen zu liefern«, notierte Oetker voller Stolz.
    Schon nach einem Jahr zeigte sich, dass es sich lohnen würde, eine zweite Fabrik zu errichten. 1902 zogen Bauarbeiter in unmittelbarer Nachbarschaft des ersten Gebäudes ein zweites, größeres hoch. Die beiden Bauten standen so dicht beieinander, dass man sie in der Höhe des ersten Stocks mit einem Gang verbinden konnte. Die größten Abteilungen des Unternehmens – diejenigen, in denen die Pulver gemischt und abgefüllt wurden – zogen in den Neubau um. Die frei werdenden Säle konnten nunmehr als Lager und Packräume genutzt werden. Während in der Apotheke noch mit der Hand gemischt worden war, gab es in der Fabrik von Anfang an Motoren. Der erste war ein Gasmotor und hatte sechs PS. Später wurde er durch ein Elektroaggregat ersetzt.
    »Bielefeld ist bekannt durch seine Leinen und Nähmaschinen und seit zwölf Jahren durch Dr. Oetkers Fabrikate«, verkündete August Oetker 1903. Mit Macht trieb er die Expansion seines Unternehmens weiter voran. Er beschäftigte 15 Vertreter, die im Kaiserreich umherreisten, um seine Produkte in die Läden zu bringen. Die Herren erhielten Provisionen für die aufgenommenen Bestellungen, aber auch Druck von oben. »Meine Artikel müssen im Jahre 1907 in allen Geschäften vorrätig sein«, schrieb der Firmenchef in einem Rundbrief an seine Reisenden. »An alle diejenigen meiner Vertreter, die bisher noch ungenügende Resultate in dieser Hinsicht zu verzeichnen hatten, richte ich hiermit die eindringliche Mahnung, sich diesem Teil ihrer Aufgaben so zu widmen, wie ich es verlangen kann, und wie es ihre selbstverständliche Pflicht ist.« August Oetker hatte 10000 Probekartons »in hoch künstlerischer Ausstattung« herstellen lassen, die seine Vertreter an alle Ladeninhaber verkaufen sollten, die seine Produkte nicht führten. »Im Jahr 1907 müssen sie so verteilt werden, dass ich am Ende des Jahres werde sagen können: Alle meine kleinen Artikel sind jetzt, wenn nicht in sämtlichen, so doch in den besseren Geschäften zu haben.«
    Die Apotheke war rasch zu klein für die wachsende Produktion, ab 1900 wird
das Backpulver in einer Fabrik hergestellt.
    August Oetker war ein Patriarch in seinem Unternehmen. Zu Weihnachten überreichte er seinen Arbeiterinnen und Arbeitern Goldstücke, in einem anderen Jahr gab es zwei Eimer Marmelade. 1908 gewährte der Unternehmer der Belegschaft erstmals ein Weihnachtsgeld von einem Prozent des Jahreslohns und einen Aufschlag für jedes Jahr der

Weitere Kostenlose Bücher