Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
und stieg in Berlin bei der Spirituosen- und Weinhandelsfirma Meyer ein, zu der eine Vielzahl von Feinkostläden gehörte und die den Slogan »Keine Feier ohne Meyer« verwandte. Als Reeder und Nahrungsmittelfabrikant lag es für Oetker nahe, diese beiden Bereiche zu verbinden. Das gelang ihm 1958 mit der Übernahme der Hanseatischen Hochseefischerei GmbH, die zu den Großen ihrer Branche gehörte. 1966 übernahm Oetker die Ültje KG, die Erdnüsse vertrieb.
Von den Absatzerfolgen beflügelt, setzte Rudolf-August Oetker auch im Stammgeschäft auf Expansion. Schon 1951 hatte er zusätzlich zu den Nahrungsmittelfabriken in Bielefeld und Hamburg eine Fabrik in Berlin-Charlottenburg gebaut. Doch neue Trends in der Ernährung zogen weitere Investitionen nach sich. In den USA waren die Herstellung und der Verkauf von Fertigtiefkühlkost schon seit langem verbreitet, in Deutschland kamen solche Produkte erstmalig in den sechziger Jahren in größeren Mengen auf den Markt. Vorreiter waren die internationalen Nahrungsmittelkonzerne Unilever und Nestlé. Oetker hatte schon 1957 eine Tochterfirma für das Tiefkühlgeschäft gegründet, über die Eis, Gemüse, Fleisch und Fisch vertrieben wurden. Die Aktivitäten firmierten zunächst unter dem Namen Frosti, später unter Oetker-Tiefkühlkost.
Im Ausland gründete Oetker mehr als ein Dutzend neuer Betriebe und Vertriebsfirmen. Vor allem Italien zog ihn an. Die Regierung in Rom gewährte Investoren außerordentliche Hilfen, wenn sie ihr Geld im mittleren und südlichen Teil des Landes investierten. Oetker ließ in Carisio, Crespellano, Ferentino und Bari vier Brauereien bauen, jeweils in der Nähe der Autobahnen. Damit sie in die Landschaft passten, verkleidete der Architekt Pinnau die Fassaden mit maisgelben Keramikkacheln, die aus Deutschland importiert werden mussten. Auf den Dächern wurde frei stehend der Schriftzug Prinz Bräu angebracht |236| . Oetker hatte den Plan gefasst, den italienischen Biermarkt mit einer neuen nationalen Marke zu erobern und zu erweitern.
Für Politik hatte Oetker keine Zeit, auch in den Verbänden hielt er sich zurück. Gesellschaftliche Auftritte empfand er als eher unangenehme Verpflichtungen. Beim Jahresempfang des Bundesverbandes der Deutschen Industrie im Kölner Hotel Excelsior, zu dem auch Bundespräsident Theodor Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer gekommen waren, hielt Oetker es nicht länger als eine halbe Stunde aus. Sein Mann in Bonn war in den Wirtschaftswunderjahren Alexander Elbrächter. Der promovierte Chemiker hatte als Betriebsleiter bei der Oetker-Firma Reese in Hameln gearbeitet. Als Mitglied der Deutschen Partei war Elbrächter in den Bundestag eingezogen und hatte dort in Ausschüssen die Interessen der Lebensmittelindustrie vertreten.
Rudolf-August Oetker zog sich im Lauf der Jahre eine Reihe neuer Manager heran. Als Prokurist und Sekretär arbeitete der sieben Jahre jüngere John Henry De La Trobe für ihn. Der Jurist, der einer aus Frankreich emigrierten Hugenottenfamilie entstammte, war ein Neffe Richard Kaselowskys und Stiefvetter Oetkers. Für Oetker wurde der junge Verwandte zu einem der engsten Vertrauten, der vom Sekretär (»Ich war sein Bleistift«) bis zum Generalbevollmächtigten aufstieg. 1968 setzte Oetker seinen Stiefvetter an die Spitze der Hamburg Süd, nachdem Rolf Kersten die Reederei im Streit verlassen hatte.
In einer seiner bayerischen Brauereien entdeckte Oetker Ende der fünfziger Jahre einen jungen Mann mit vielfältigen Fähigkeiten. Guido Sandler, zwölf Jahre jünger als Oetker, entstammte einer Kulmbacher Brauerfamilie. Er hatte eine Prüfung als Steuerfachgehilfe und eine als Milchkaufmann bestanden. In Innsbruck hatte der Betriebswirt später promoviert und anschließend in Weihenstephan noch ein Diplom als Braumeister erworben, bevor er 1958 als 30-Jähriger bei einer Oetker-Brauerei in Aschaffenburg anfing.
Als dem Inhaber während eines Aufenthalts in Brasilien eine Brauerei zum Kauf angeboten wurde, forderte er telegrafisch einen Experten aus Deutschland an. Sandler reiste nach São Paulo, prüfte die Anlage |237| und riet Oetker mit guten Argumenten von einer Übernahme ab. Oetker war beeindruckt und bot Sandler an, künftig in Bielefeld an seiner Seite zu arbeiten. Sandler ergriff die Chance, auch weil er spürte, dass Oetker ein Unternehmer war, der seinen Mitarbeitern Freiräume ließ. Der Kontrast zwischen den beiden Männern hätte kaum größer sein können. Sandler hatte
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