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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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dünnen Abgasrohre mit den Schiffsmasten und verlieh den Frachtern damit ein ungewöhnlich windschnittiges Aussehen. Oetker gefiel es, einen berühmten Baumeister zu beschäftigen. Dessen Vergangenheit störte ihn nicht im Geringsten. Pinnau, der zehn Jahre älter war als Oetker, hatte sich 1937 in Berlin selbstständig gemacht. Bald darauf war er von Hitlers Baumeister Albert Speer entdeckt und mit Aufträgen versorgt worden. Pinnau hatte für einen Besuch Mussolinis das ehemalige Reichspräsidentenpalais als Gästehaus renoviert und die Inneneinrichtung der neuen japanischen Botschaft besorgt. |228| Für die von Hitler und Speer geplante Große Straße quer durch Berlin hatte er Entwürfe für Regierungsgebäude, Hotels und Theater gezeichnet. Nach dem Krieg war Pinnau die von ihm angestrebte Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in seiner Geburtsstadt Hamburg verwehrt worden und er hatte sich als Architekt niedergelassen.
    Bald wurde er zu einem Baumeister für die besseren Stände. Oetker war beileibe nicht allein in seiner Pinnau-Verehrung. Auch Hitler-Biograf Joachim C. Fest sollte sich von dem Architekten in den siebziger Jahren ein Haus entwerfen lassen und ihn später in einem Essay gegen mögliche Anwürfe verteidigen: »Was ihn mit Speer verband, war der Ehrgeiz, groß zu bauen, die Lust am Planen und Projektieren mit nahezu unbeschränkten Mitteln, und man weiß nichts von künstlerischem Ausdruckswillen, wenn man dies bereits für kritikwürdig hält und nicht erst das, angesichts so grenzenloser Möglichkeiten freilich besonders gefährdete Ergebnis.«
    Bauherr Oetker achtete genau aufs Geld, und Konflikte blieben nicht aus. Mehr als einmal suchte Pinnau Rat bei Oetkers Vertrautem Herzogenrath, wie er mit dessen »neurotischem Sparzwang« umgehen sollte. Herzogenrath empfahl ihm, Oetker einfach vor die Wahl zu stellen: »Take it or leave it.« Denn Pinnau war ja nicht von Oetker abhängig. Er arbeitete auch für andere Wirtschaftskapitäne, darunter Konrad Henkel, Helmut Horten und Heinrich Bauer. Doch sein wichtigster Auftraggeber neben Rudolf-August Oetker war ein anderer großer Reeder: Aristoteles Onassis. Für den Griechen entwarf Pinnau 1952 die Luxusjacht »Christina«, deren Fotos bald darauf durch die Gazetten gingen, und über die Richard Burton sagte: »Ich glaube nicht, dass es auf Erden irgendeinen Mann oder irgendeine Frau gibt, die sich nicht von dem völlig schamlosen Narzissmus, den dieses Schiff ausstrahlt, verführen lassen.«
    Ruth Pinnau war mit ihrem Ehemann Dutzende Male als Urlaubsgast auf dem Schiff von Onassis. Sie lernte den schillernden Reeder ebenso gut kennen wie den Bielefelder Konzernerben. In ihren Lebenserinnerungen arbeitete sie die Parallelen im Leben der beiden Männer |229| heraus. Der Grieche war ein Selfmademan – anders als der zehn Jahre jüngere Oetker, der eine Gruppe von Unternehmen und Beteiligungen geerbt hatte. Doch vieles verband sie: »Beide hatten im Alter zwischen 23 Jahren und 28 Jahren eine tief greifende, ihr eigenes Überleben gefährdende, durch Kriegsereignisse ausgelöste wirtschaftliche und gesellschaftliche Katastrophe durchzumachen, die einen Teil ihrer Familie dahinraffte. Onassis erlebte die Besetzung seiner Heimatstadt Smyrna (Izmir) und die Misshandlung, Tötung und Vertreibung der dort ansässigen Griechen durch die Türken. Und Rudolf-August Oetker litt unter der totalen Kapitulation und dem Zusammenbruch des NS-Regimes sowie dem durch einen Luftangriff 1944 verursachten Tod seiner Mutter, seines Stiefvaters Richard Kaselowsky und seiner beiden Halbschwestern.«
    Die Abschreibungsgesetze der frühen Bundesrepublik ermöglichten Rudolf-August
Oetker den Aufstieg zum Großreeder. Hier die Cap San Augustin
der Reederei Hamburg Süd vor New York City.
    |230| Beide Männer seien in eine Identitätskrise geraten, folgerte Ruth Pinnau. »Für Oetker brach die von seiner Familie und ihm akzeptierte nationalfaschistische Wertewelt zusammen, er wurde von den Siegermächten verhaftet und in ein Lager eingesperrt, wo ihn die Wachmannschaften malträtierten, ihm die Zähne einschlugen und ihn so verprügelten, dass er noch jahrelang danach am Stock gehen musste.« Wie Onassis sei auch Oetker wieder hochgekommen und habe unermüdlich an seinem Aufstieg gearbeitet.
    Einmal ergab es sich, dass Ruth Pinnau zwischen den beiden Reedern, die sich nicht miteinander unterhalten konnten, weil Oetker kein Englisch sprach, vermittelte. Nach

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