Die Oger - [Roman]
verständnisvoll.
»Soll ich einen Trupp Orks aussenden, um sie gefangen zu nehmen?«
Die Begeisterung des Meisters hielt sich in Grenzen.
»Ursadan, hast du schon mal eine Gruppe Ratten gesehen, die ein Rudel Wölfe angreifen?«
»Nein, Meister.«
»Siehst du, deswegen werde ich lieber einen hungrigen Bären aussenden, um das Problem zu lösen.«
»Bären fressen auch keine Wölfe, Meister.«
Es war ihm vielleicht nicht klar, aber die Geduld des Meisters so zu strapazieren, konnte lebensgefährlich sein. Der Meister hatte aber Nachsehen mit ihm.
»Die Menschen begründen Dinge gerne mit dem Zusammenspiel von Ursache und Wirkung. Sie beschreiben, wie eine bestimmte Ursache eine dazugehörige Wirkung auslöst, und dann wiederum diese Wirkung zu einer Ursache für einen weiteren Vorgang wird. Nach der Philosophie der Menschen ist dies ein Muster, das niemals endet. Die Menschen liegen damit aber falsch, und weißt du auch, warum?«
Ursadan schüttelte den Kopf, nicht nur, weil er die Frage nicht verstand, sondern weil das ganze Gespräch anfing, ihn zu überfordern.
»Ich will es dir sagen. Sobald eine Ursache die Wirkung in mir auslöst, mich zu ärgern, töte ich die Ursache, und damit endet die Kette. Verschwinde jetzt, bevor ich mich über dich ärgere. Ich werde die Sache selbst in die Hand nehmen.«
Das brauchte man ihm nicht zweimal sagen. Ursadan verließ fluchtartig den Raum.
17
Stimmen aus der Tiefe
Osbergs Kerker zählte zwar nicht zu den architektonischen Wundern von Nelbor, dennoch war er ziemlich einzigartig. Anstatt wie andere Gebäude dieser Art unterirdisch zu verlaufen, ragte das Gefängnis in Osberg hoch über die Stadtmauern hinaus. Ein acht Schritt breiter und fast dreißig Schritt hoher Turm stand inmitten der Garnison. Der einzige Zugang zum Kerker befand sich auf halber Höhe und konnte nur von der Stadtmauer aus erreicht werden. Um möglichen Ausbruchsversuchen vorzubeugen, lagen die Wachzimmer genau unterhalb und oberhalb des Einganges. So konnte niemand unbemerkt herausschlüpfen, und jeder Eindringling konnte von zwei Seiten aus effektiv bekämpft werden.
Ständig hielten zwölf Mann Wache, die in regelmäßigen Abständen wechselte.
Der Kerker war auch nicht, wie in anderen Städten, hoffnungslos überfüllt. Durch Osbergs Lage gab es nur wenig Reisende und somit auch wenig unbekannte Gesichter. Man war davon abgekommen, ortsansässige Leute durch einen Aufenthalt im Kerker zu bestrafen, denn es hatte sich als viel effektiver erwiesen, Geldbußen zu verhängen.
Aber eine Ähnlichkeit gab es doch mit allen übrigen Gefängnissen der Welt: Je tiefer man im Verlies steckte, desto schwerwiegender war das Verbrechen.
Momentan gab es nur zwölf Insassen, von denen zwei das Erdgeschoss bewohnten.
Der eine war Limmeney Slickway, genannt Slick, ein junger Bursche, der trotz mehrmaliger Bestrafung noch nicht zu der Einsicht gelangt war, dass man das Eigentum anderer Leute achten müsse. Beim letzten Einbruch hatte er den Fehler begangen, auch das Leben anderer nicht zu verschonen. Man hatte ihn zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung sollte in zwei Wochen stattfinden. Slick empfand keine Reue. Es war ihm egal, was andere über ihn dachten oder was mit ihm passierte. Trotzdem hatte er seit zwei Nächten nicht schlafen können. Der Grund dafür war nicht das schlechte Essen oder die Kette um seinen Fuß. Es war vielmehr sein Zellengenosse, wenn man das Wesen denn als solchen bezeichnen konnte. Durch die schmalen Mauerschlitze fiel nur wenig Licht, deshalb war die Kreatur nur schemenhaft zu erkennen.
Dennoch wusste Slick aus Erzählungen, wie ein Oger aussah.
Mit der Vorstellung am Galgen einen schnellen, sauberen Tod zu finden, konnte er umgehen, aber der Gedanke, von dieser Kreatur bei lebendigem Leib in Stücke gerissen zu werden, versetzte ihn in Panik.
Tarbur mochte die Hüttenbauer nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ihn hier gefangen hielten, waren die meisten von ihnen in seinen Augen ehrlos. Sie waren nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen oder zu schützen. Nur das Zusammenleben in großen Gemeinschaften sicherte ihren Fortbestand. Sie waren für ihn wie Ungeziefer. Nur wenige von ihnen waren imstande gewesen, ihn im Kampf zu beeindrucken. Die meisten hatten auch keine Gelegenheit dazu bekommen. Auf den Krieger, der ihn gefangen genommen hatte, traf dies jedoch nicht zu. Selten hatte er jemanden beobachtet, der mit so viel Mut und Geschick gegen ihn ins Gefecht
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