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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ging. Obwohl der Krieger alle seine Mitstreiter innerhalb weniger Augenblicke verloren hatte, dachte er gar nicht an Flucht. Im Gegenteil, er war sogar bereit gewesen, sein eigenes Leben zu opfern, nur um ihn zu besiegen. So kam es, dass sie zusammen einen Abhang hinunterstürzten. Beim Aufprall verlor Tarbur zunächst ein Auge, und dann das Bewusstsein; dabei rettete er unbeabsichtigt dem Krieger das Leben, da dieser auf ihm landete anstatt auf den Felsen. Tarburs Kampfgefährten gingen anscheinend davon aus, dass sie beide den Sturz nicht überlebt haben konnten und zogen ohne ihn weiter. Wenig später wurden sie von einem Trupp der Hüttenbauer gefunden. Dem Krieger wurde geholfen, und Tarburs Wunden wurden notdürftig genäht und seine klaffende Augenhöhle verbunden.
    Erst gestern hatte er den Krieger wiedergesehen. Er kam mit vier weiteren Soldaten in den Kerker, stand nur da und sah ihn an. Er sagte kein einziges Wort. So wie es aussah, waren seine Wunden verheilt. Tarbur konnte spüren, dass zwischen ihnen so etwas wie Respekt bestand. Wenn Tabal es wollte, würden sie sich eines Tages wieder auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen. Dann würde sich entscheiden, wer von ihnen der bessere Kämpfer war. Der Name seines Feindes war Hauptmann Barrasch.
    Tarbur wusste, dass sie ihn hier gefangen hielten, um an Informationen zu kommen. Er würde ihnen aber keine geben, egal ob sie ihn foltern oder töten würden. Er hatte einen Eid geschworen, und den musste er erfüllen. Tabal würde nur die ehrenhaften Krieger an seiner Seite akzeptieren. Der kleine Mann, der mit ihm hier gefangen war, besaß keine Ehre. Tarbur empfand es als Schmach, mit ihm dasselbe Los zu teilen. Sie waren so unterschiedlich, wie es nur sein konnte. Er hatte eine unbewaffnete Frau aus seinem Volk feige getötet. Sein eigenes Leben schien ihm nichts wert zu sein. Er spuckte die Soldaten an und beschimpfte sie mit Worten, die Tarbur nicht verstand. An ihrer Stelle hätte er ihn sofort getötet.
    Tarburs Nacken tat weh, und die Augenhöhle schmerzte. Die Decke des Kerkers war nicht hoch genug, als dass er aufrecht hätte stehen können. Er musste den Kopf seitlich nach unten beugen, um die Beine durchdrücken zu können. Er hatte seit zwei Tagen nichts zu essen bekommen. Sein Magen förderte erstaunliche Geräusche zutage. Ab und zu spannte er seine Muskeln an, um in Bewegung zu bleiben. Es war schwer, gegen die Feuchtigkeit und die Kälte anzukommen, wenn der Körper nichts zu verdauen hatte.
    Slick bekam regelmäßig zu essen und zu trinken. Die Wächter lösten ihn dann von seinen Ketten und ließen ihn in Ruhe. Danach durfte er sich einen Augenblick bewegen. Zu dritt stiegen sie mit ihm die Treppen nach oben und brachten ihn anschließend wieder zurück. Dann ketteten sie ihn wieder an.
    Vielleicht fanden sich einfach nicht genug Wachen, um mit Tarbur ebenso verfahren zu können. Niemals würden sie ihn auch nur einen Schritt ohne Ketten laufen lassen. Ein unbewaffneter Hüttenbauer stellte für sie keine Gefahr da. Bei einem Oger sah die Sache anders aus. Außerdem wollte er die Treppen auch gar nicht hochlaufen. Der Weg hier herunter, über die schmale Wendeltreppe, war schon schwierig genug gewesen. Er hatte sich wie ein Wurm gefühlt, der sich einen Weg durch die Erde bahnte.
    Eine Flucht war so gut wie unmöglich. Auf dem Weg in den Kerker war er von Soldaten umringt gewesen. Alle waren schwer bewaffnet und schienen nur darauf zu lauern, Rache für ihre Kameraden zu nehmen. Nun, da er hier angekettet war, hatte sich die Lage nicht verbessert. Es waren zwar keine Soldaten in der Nähe, aber die Schmiede von Osberg verstanden ihr Handwerk. Tarbur versuchte erst gar nicht, an den massiven Gliedern der Kette zu reißen. Sie würden seiner Kraft standhalten. Und selbst wenn es ihm gelingen würde, sich zu befreien, einen Ausweg aus der Stadt gab es für ihn nicht. Sie würden ihn noch innerhalb des Kasernenhofes töten. Seine beste Aussicht bestand einzig und allein darin, keine zu haben.
    Im Moment konzentrierte er sich nur auf zwei Sachen: Er wollte etwas zu essen, und er wollte sehen, wenn sie Slick zur Hinrichtung führten. Der Hass auf diesen ihm unbekannten Hüttenbauer steigerte sich ständig. Er wusste nicht, warum das so war, aber er wusste, Hass allein kann einen am Leben halten.
    Der Sonne nach zu urteilen, würde es noch Stunden dauern, bis sich die Wachen das nächste Mal blicken ließen. Wieder würde Slick sein Essen bekommen und

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