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Die Oger - [Roman]

Die Oger - [Roman]

Titel: Die Oger - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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schwanden. Er fühlte sich wie eine Kerze, dessen Flamme man mit einer Glocke erstickte und, kurz bevor sie erlosch, wieder mit Luft versorgte. Wie lange er sich schon in diesem Zustand befand, konnte er nicht sagen. Jedes Mal, wenn er zurück in diese Welt kam, kehrten seine Gedanken wieder an den gleichen Punkt zurück. Der Hass auf den Meister ließ ihn keine Ruhe finden. Doch dieses Mal war es anders, seine Gedanken wurden abgelenkt. Er war nicht allein. Er hörte Stimmen. Sie klangen wie wispernde Laute aus dem Jenseits.
    Er spürte eine Erwärmung auf der Haut, nicht heiß, nur angenehm warm. Sein Verstand drängte ihn, genauer auf die Stimmen zu hören. Sie waren so leise.
    »Was meinst du, ist er tot?«
    »Sieht so aus. Sein Auge ist ganz glasig.«
    »Wie lange liegt er hier wohl schon?«
    »Drei oder vier Tage, würde ich sagen, nicht länger. Er riecht noch nicht besonders stark.«
    »Wir sollten Hagrim holen, der kennt sich mit so was aus. Vielleicht können wir ihn verkaufen.«
    Hüttenbauer! So wie es aussah, lag er noch immer in der Kanalisation. Er war nicht ertrunken. Der Zufall musste es ihm ermöglicht haben, nicht hier zu sterben, oder Tabal hatte noch eine Aufgabe für ihn.
    Die Stimmen waren verstummt, und auch die Wärme wich langsam von seiner Haut. Er war wieder allein. Es musste ihm gelingen, seine Sinne wieder zu sammeln. Er konnte nicht so hilflos daliegen, wenn sie zurückkamen. Mit aller Energie versuchte er, seine Gliedmaßen zu bewegen, wieder ein wenig Gefühl für seinen Körper zu bekommen. Wenn er wieder das Bewusstsein verlor, würde er wahrscheinlich nie wieder erwachen. Seine Arme und Beine fühlten sich an wie abgestorben. Ein dumpfes Kribbeln füllte seinen Körper, wo sonst geballte Kraft zu spüren war.
    Es gelang ihm schließlich, die Hände zu bewegen. Auch seine Arme gehorchten teilweise seinen Befehlen. Kraftlos wischte er sich mit den Fingern über den Körper. Seine Haut fühlte sich nass und glitschig an. Er betastete vorsichtig sein Gesicht. An seiner Schläfe spürte er die verkrustete Wunde des Dolchstiches. Er tastete weiter. Seine Lippen waren aufgeplatzt, und auf der Wange hatte sich Schorf gebildet.
    Die Augen. Was war mit seinem verbliebenen Auge? Sein Lid war offen, doch um ihn herum war es dunkel. Eine andere Dunkelheit. Nicht dasselbe, wie in einer Höhle ohne Licht. Dort gab es immer noch etwas wie Umrisse, Ahnungen oder eine sichtbare Schwärze. Diese Dunkelheit war ein komplettes schwarzes Nichts. Er war blind.
    Er kämpfte dagegen an, wieder bewusstlos zu werden. Die Hoffnungslosigkeit drohte ihn zu überwältigen. Es war schlimm genug die Hälfte seines Sehvermögens beim Kampf mit dem Hauptmann der Stadtwachen eingebüßt zu haben. Seine Erfahrung hätte ausgereicht um dieses Defizit auszugleichen. Ein blinder Oger jedoch wäre schon allein unter seinesgleichen verloren. Selbst in geschützter Umgebung wäre sein vorzeitiger Tod so gut wie sicher.
    Es war aber nicht die Befürchtung zu sterben, die ihn angestrengt versuchen ließ, wieder auf die Beine zu kommen, es war der Hass auf den Meister und die Möglichkeit, sich für alles zu rächen.
    Doch egal, wie er es bewerkstelligte, er konnte sich nicht auf den Beinen halten. Immer wieder knickten sie weg, und ließen ihn seine Hilflosigkeit von Neuem spüren. Die Kraft aus seinen Armen reichte noch immer nicht aus, um sich an den Wänden hochzuziehen. Verbittert und erschöpft sank er wieder in sich zusammen und kauerte sich auf den Grund der Grube.
    Wenn ich wenigstens den schweren Steinblock von der Kette lösen könnte, dachte er. Mehrfach drehte er den Fels hin und her. Die Fugen waren sich durch das lange Liegen im Wasser etwas aufgeweicht. Mit seinen Fingernägeln kratzte er die obere Schicht des Mörtels ab. Ständig spülte er Wasser darüber, in der Hoffnung es würde sich noch mehr lösen. Seine Finger ertasteten die Ankerplatte, die das Herausziehen der Kette aus der Wand verhindern sollte. Immer und immer wieder riss er daran, bis sich endlich ein Spalt auftat und den Bolzen aus der Fuge freigab. Er rollte das Stück Mauerwerk erleichtert beiseite.
    Stunden vergingen, dann näherten sich wieder Schritte. Er hörte, wie sie unachtsam in die Rinnsäle der Kanalisation traten. Kein geübter Kämpfer würde sich so bewegen. In seinem momentanen Zustand würde es aber auch keinen Kämpfer benötigen, um ihn zu erledigen. Deshalb beschloss Tarbur, sich wieder tot zu stellen.
    Die Schritte kamen

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